Doppelte Staatsbürgerschaft:Die CDU ist auf dem Weg zurück in die Engstirnigkeit

Die Partei will die doppelte Staatsbürgerschaft für Kinder ausländischer Eltern wieder abschaffen. Doch wer Integration will, darf eine Entscheidung für oder gegen Deutschland nicht erzwingen.

Kommentar von Thorsten Denkler, Essen

Die deutsche Staatsbürgerschaft scheint für die Mehrheit der Delegierten auf dem CDU-Parteitag in Essen eine Art Heiligtum zu sein. Etwas, das sich jemand zu verdienen hat. Etwas, das einem nicht einfach so geschenkt werden darf. Selbst dann nicht, wenn der Geburtsort Braunschweig, München oder Berlin ist. Mit knapper Mehrheit von 51,53 Prozent haben die Delegierten am Mittwochmorgen gegen den Willen der Parteiführung entschieden: Sie wollen die 2014 eingeführten Ausnahmen von der Optionspflicht wieder abschaffen.

Das ist eine falsche Entscheidung. Sie bringt die Engstirnigkeit zurück in die CDU.

Seit 2000 bekommt jedes in Deutschland geborene Kind die deutsche Staatsangehörigkeit. Und zwar auch dann, wenn die Eltern die türkische Staatsangehörigkeit besitzen. Allerdings mussten sie sich bis zum 21. Lebensjahr spätestens entscheiden, ob sie den deutschen oder den türkischen Pass behalten wollen. Das ist die Optionspflicht. 2014 einigten sich Union und SPD darauf, Kinder dann von dieser Optionspflicht auszunehmen, wenn sie in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen sind. Das war ein guter, ein vernünftiger Kompromiss. Weil er den Zwang aufhob, sich für eine nationale Identität entscheiden zu müssen.

Kinder eingewanderter Türken leben oft in zwei Welten, in der türkischen und in der deutschen. Und manchmal in keiner richtig. In der Türkei sind viele oft die Deutschen. In Deutschland bleiben sie meist die Türken. Wer Integration will, darf nicht erzwingen, sich für einen der beiden Staaten entscheiden zu müssen. Die CDU will aber genau dahin zurück. Sie ignoriert die Erkenntnis, dass Zwang für die Integrationsbereitschaft keinen Mehrwert hat.

Deutsch sein ist keine Frage des Glaubens

Ganz im Gegenteil: Zwang ist Gängelung. Er würdigt Menschen herab, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben, hier Steuern zahlen, ihrer Arbeit nachgehen, hier zur Schule gegangen sind. Für junge in Deutschland aufgewachsene Menschen, die sich mit 21 Jahren entscheiden müssen, bedeutet der Zwang: Ihr gehört erst so richtig zu Deutschland, wenn ihr eure andere Identität verneint.

In diesen Tagen scheint die Zuschreibung "Deutscher" eine Art religiöser Begriff zu sein, eine Frage des Glaubens. Der Pass aber ist nicht mehr als der Beleg der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rechtsgemeinschaft. Wer den deutschen Pass hat, der darf mitbestimmen, wie es in dem Land zugeht, in dem er lebt. Er darf wählen.

Die doppelte Staatsangehörigkeit, die Mehrstaatlichkeit ist nicht per se etwas Schlimmes oder Eigenartiges. Es gibt schon heute viele Ausnahmen, die die doppelte Staatsangehörigkeit ermöglichen. Dass es diese nicht geben soll für junge Menschen, die in diesem Land aufgewachsen sind, macht Deutschland nicht deutscher. Sondern dumpfer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: