Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:"Es ist die Hölle"

Im Donbass scheint die Schlacht um Sjewjerodonezk bevorzustehen, die ukrainischen Soldaten in Mariupol ergeben sich, und die USA warnen vor einer Hungerkrise.

Von Nicolas Freund

Die Lage im Osten der Ukraine scheint sich zuzuspitzen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte in einer Ansprache gesagt, "der Donbass ist völlig zerstört", den russischen Streitkräften warf er ein sinnloses Bombardement vor. "Es ist die Hölle dort - das ist keine Übertreibung", fügte Selenskij hinzu. Bei russischen Luftangriffen auf die Region um die Stadt Sjewjerodonezk sollen laut dem Regionalgouverneur 13 Menschen getötet worden sein. Selenskij warf Russland in seiner Ansprache vor, mit solchen Angriffen so viele Ukrainer wie möglich umbringen zu wollen. Er sagte, dies werde als Genozid am ukrainischen Volk angesehen und die verantwortlichen Besatzer würden zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch die Gefechte haben um Sjewjerodonezk an Intensität zugenommen. Russland soll Truppen aus der Nähe von Charkiw in das Gebiet verlegt haben. Dort scheint die ukrainische Gegenoffensive derzeit keine Erfolge zu erzielen. Auch die versprochenen Waffenlieferungen aus dem Westen kommen nur sehr langsam in der Ukraine an. Am Freitag wurde bekannt, dass im Juli die ersten 15 Gepard-Panzer aus Deutschland geliefert werden sollen.

Der britische Militärgeheimdienst warnte ebenfalls am Freitag, Russland könne für die Offensive im Donbass auch weitere Truppen aus Mariupol abziehen. Dort sollen die Kampfhandlungen inzwischen eingestellt worden sein. Zuletzt hatten sich nach russischen Angaben knapp 2000 Soldaten ergeben, die sich wochenlang in dem Asow-Stahlwerk verschanzt hatten. Am Freitagabend erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau die Belagerung für beendet, das Areal sei komplett unter russischer Kontrolle.

Auch der Kommandant des Asow-Regiments hatte zuvor die Kapitulation bekannt gegeben. Zwischen Russland und der Ukraine wird ein Gefangenenaustausch angestrebt, um die Soldaten aus dem Werk zurück in ihre Heimat zu holen. Wie und wann genau dieser stattfinden soll, ist aber derzeit noch unklar. Möglicherweise wird sich Russland gar nicht darauf einlassen, solange noch gekämpft wird.

Die Russen blockieren die Häfen - und den Export von Lebensmitteln

Bei dem Ort Poposna südlich von Sjewjerodonezk soll es russischen Truppen zuletzt an mindestens einer Stelle der Front gelungen sein, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. Das ist eine gefährliche Entwicklung für die ukrainischen Streitkräfte, weil es der russischen Armee erlauben könnte, die Verteidiger in Sjewjerodonezk einzukreisen, wie schon seit Längerem befürchtet wird. Derzeit ist aber unklar, wie die genaue Lage in der Region ist. Der ukrainische Generalstab behauptete, russische Angriffe bei Isjum abgewehrt zu haben und den Angreifern Verluste zugefügt zu haben. Auch diese Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Der Konflikt hat inzwischen immer mehr Auswirkungen auf die ganze Welt. Laut dem kirchlichen Hilfswerk Misereor sollen sich wegen des Krieges Hungerkrisen in Afrika, Asien und Lateinamerika weiter verschärfen. Besonders betroffen seien Burkina Faso, Südsudan, Kenia, Haiti und Guatemala. Schuld daran sind steigende Preise und ausbleibende Exporte, da Russland die ukrainischen Häfen blockiert. US-Außenminister Antony Blinken verlangte im UN-Sicherheitsrat, die Blockaden aufzuheben. Aus Moskau hieß es als Antwort, es würden keine Lebensmittel exportiert, solange die westlichen Sanktionen bestünden. Die Russen seien "keine Idioten".

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