Donald Tusk:"Der Brexit selbst ist schon Strafe genug"

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Menschen stehen vor dem Parlament in London, als Theresa May im Inneren den Brexit verkündet. (Foto: AFP)
  • Die EU will in den Brexit-Verhandlungen schrittweise vorgehen: Erst den Austritt vollziehen, dann die künftigen Beziehungen regeln.
  • EU-Ratspräsident Tusk erklärt, die EU verfolge gegenüber dem Vereinigten Königreich keinen "bestrafenden Ansatz".
  • Sicher ist: Der Abschluss eines Freihandelsabkommens ist im Zuge der Brexit-Gespräche nach Artikel 50 der EU-Verträge nicht möglich.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Donald Tusk ist seit 1978 verheiratet. Doch an diesem Freitag gesteht er: "Das ist meine erste Scheidung, und ich hoffe, es wird meine letzte sein." Damit meint der EU-Ratspräsident natürlich nicht die Ehe mit seiner Frau, sondern den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die Scheidungsverhandlungen würden schwierig und konfliktreich, erklärt Tusk, doch die EU verfolge keinen "bestrafenden Ansatz". "Der Brexit selbst ist schon Strafe genug", sagt er. "Nach mehr als 40 Jahren zusammen, schulden wir es einander, alles zu tun, diese Scheidung so glatt wie möglich zu gestalten." Das klingt versöhnlich, doch schon jetzt offenbaren sich harte Konfliktlinien.

Zwei Tage nachdem die britische Premierministerin Theresa May ihren Austrittsbrief nach Brüssel geschickt hat, erklärt Tusk die Position der 27 EU-Staaten. In enger Abstimmung mit Berlin, Paris und anderen Hauptstädten hat der Ratspräsident einen Entwurf für die politischen Verhandlungsleitlinien formuliert.

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Gut einen Monat haben die Unterhändler nun Zeit, den Text zu überarbeiten. Am 29. April sollen die sogenannten guidelines bei einem Sondergipfel beschlossen werden. Tusk will May zuvor noch einmal besuchen. Hoffnung auf eine sanftere Gangart darf sich die britische Regierung aber wohl nicht machen. "Der Entwurf wird sicher nicht abgeschwächt", sagt ein EU-Diplomat.

Die Europäische Union besteht auf einem klaren Ablauf der Verhandlungen: zuerst sollen die Bedingungen des Austritts geklärt werden, erst danach will die Staatengemeinschaft mit London über die künftigen Beziehungen sprechen. "Parallele Verhandlungen zu allen Themen zu beginnen, wie von einigen im Vereinigten Königreich vorgeschlagen, das wird nicht passieren", sagt Tusk. Erst wenn es "ausreichenden Fortschritt" bei den Austrittsverhandlungen gebe, könne über das künftige Verhältnis geredet werden.

Zunächst will die EU aber drei Dinge durchsetzen: Gleiche Rechtssicherheit für alle in Großbritannien lebenden EU-Bürger und für Briten in der Union, Einigkeit über die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens gegenüber der EU und das Ziel, eine "harte Grenze" zwischen Irland und Nordirland zu vermeiden. Danach soll in einer zweiten Verhandlungsphase über den Rahmen künftiger Beziehungen gesprochen werden. Dies werde wahrscheinlich im Herbst soweit sein, sagt Tusk.

Eines ist aber sicher: Der Abschluss eines Freihandelsabkommens ist im Zuge der Brexit-Gespräche nach Artikel 50 der EU-Verträge nicht möglich. Dennoch pocht die EU bereits auf eine faire Grundlage künftiger Wirtschaftsbeziehungen - sie will damit vermeiden, dass Großbritannien etwa zum Niedrigsteuerparadies wird.

Um den Weg bis zu einem Handelsvertrag mit dem Drittstaat Großbritannien zu überbrücken, wird es eine Übergangsphase geben müssen. Die Bedingungen dafür dürften London nicht gefallen. Die EU dringt darauf, dass Großbritannien während dieser Zeit weiter die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs akzeptiert. Auch alle vier Freiheiten der EU sollen gelten, solange das Königreich nach dem Brexit noch dem Binnenmarkt angehört. London müsste also den Zuzug von EU-Ausländern weitaus länger dulden. Wie lange diese Phase dauert, ist offen. Das EU-Parlament visiert drei Jahre an. In Brüssel sprechen manche auch von fünf.

Auf die Frage, was er davon halte, dass die Briten bereits versuchten, die Themen Sicherheit und Handel gegeneinander auszuspielen, reagiert Tusk diplomatisch: "Das muss ein Missverständnis sein." In seinem Leitlinien-Entwurf versichert er London aber, dass die EU sich auch für den Fall eines Scheiterns der Gespräche vorbereite. Also für die ganz harte Scheidung.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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