Donald Trump:Warum auf Twitter "Make America Great Again"-Kappen brennen

Trump bringt gerade seine rechten Kern-Wähler gegen sich auf, nicht nur wegen seiner plötzlichen Liebe zu jungen Immigranten. Sondern weil er auch sonst einfach nicht liefert.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

An diesem Freitag war es mal wieder eine Terrorattacke, wegen der US-Präsident Donald Trump sich inspiriert fühlte, irgendwas in seinen Twitter-Account zu hacken. In London hatten Unbekannte in einer U-Bahn einen Sprengsatz gezündet. Mehr als zwei Dutzend Verletzte, zum Glück keine Toten. Am Abend reklamierte die Terrormiliz IS den Anschlag für sich. Wie immer, wenn es um mutmaßlich islamistischen Terror geht, wusste Trump vieles sofort besser. Die britische Polizei hätte das Attentat dieser "Loser Terroristen" verhindern können, twitterte er kurz nach den ersten Berichten. Woher er diese Informationen hatte, schrieb er nicht.

Es klingt zynisch, aber wahrscheinlich kommt ihm das Attentat gerade recht. Er kann sich so als harter Kämpfer gegen islamistischen Terror inszenieren. Und hoffen, damit endlich wieder seine hartrechten Kernwähler zu beeindrucken.

Die nämlich sind gerade nicht gut auf ihn zu sprechen. Das Reizwort heißt: Daca. Das Programm garantiert illegal in die USA eingereisten Menschen auf Antrag Bleiberecht und Arbeitserlaubnis. Bedingung: Sie dürfen nicht straffällig geworden sein. Und sie dürfen nicht älter als 16 Jahre alt gewesen sein, als sie in die USA kamen. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, Daca umgehend zu beenden.

Anfang September hat er das Versprechen umgesetzt. Trump ließ seinen Justizminister Jeff Sessions verkünden, das Programm werde ausgesetzt. Neuanträge würden nicht mehr angenommen. Innerhalb einer Frist von sechs Monaten würden allerdings bestehende Daca-Anträge um weitere zwei Jahre verlängert. Wenn der Kongress bis zum Ende der sechs Monate keine Lösung finde, dann sei es ganz aus mit Daca.

Das von Trumps Vorgänger Barack Obama per Dekret initiierte Programm gilt jedoch als äußerst erfolgreich. Etwa 800 000 junge Menschen leben heute unter dem Abschiebe-Schutz von Daca. Über 90 Prozent haben einen Job, studieren oder dienen in der Armee. Viele moderate Republikaner und die meisten Demokraten unterstützen das Programm.

Dann schien Trump die Entscheidung plötzlich zu bereuen. Zwei Tage später twitterte er, es müsse sich in den kommenden sechs Monaten niemand Sorgen machen, der unter Daca-Schutz stehe. Und erst an diesem Donnerstag fragte er via Twitter ob tatsächlich jemand gut gebildete junge Menschen aus dem Land werfen wolle, die Jobs hätten und in der Armee dienten. 2015 hatte er genau diese Frage in einem Fernsehinterview noch mit einem klaren Ja beantwortet.

Mitte dieser Woche kam dann die Überraschung.

Die Rechte in den USA ist außer sich über Trump

Trump einigte sich mit den Demokraten in groben Zügen, Daca von einem bloßen Dekret in ein echtes Gesetz zu überführen.

Seitdem ist die harte Rechte im Land außer sich. Trump wird als "Amnesty Don" beschimpft. Die Wortschöpfung trendet auf Twitter. Die ebenso erzkonservative wie prominente Kommentatorin Ann Coulter fordert die Amtsenthebung des Präsidenten.

Auf Twitter teilte auch sie ein Video, in dem eine Baseball-Cap mit Trumps Wahlkampf-Slogan "Make America Great Again" verbrannt wird. Diese Kappen-Verbrennung ist auf Twitter unter dem Hashtag #burnmyMAGAhat zum Selbstläufer geworden. Trump hat mal wieder einen Shitstorm ausgelöst. Nur kommt er dieses Mal von rechts und trifft ihn selbst.

In den Wutausbrüchen entlädt sich aber wohl mehr als nur die Frustration über Trumps plötzliche Liebe für das Daca-Programm. Selbst ein Teil seiner Hardcore-Fans scheint inzwischen zu erkennen, wie wenig Trump bisher für sie erreicht hat:

  • Ob er jemals vom Kongress das nötige Geld bekommt, seine Mauer zu Mexiko bauen zu können, ist höchst unwahrscheinlich. Er bräuchte dafür im Senat auch die Stimmen von zumindest einer Handvoll Demokraten.
  • Sein Wahlversprechen, alle Muslime von den USA fernzuhalten, konnte er nicht im Ansatz durchsetzen. Seinen "Einreisestopp" für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern musste er deutlich entschärfen. Was nach mehreren Gerichtsentscheiden von seinem "Muslim Ban" übrig ist, unterscheidet sich kaum von der Regelung unter Obama.
  • Sein Versprechen, die Gesundheitsreform Obamacare abzuschaffen, dürfte fürs Erste nicht mehr zu halten sein. Auch dafür findet er keine Mehrheit im Senat.
  • Getreu seiner "America first"-Doktrin hatte er im Wahlkampf versprochen, die USA aus Konflikten wie in Afghanistan oder Syrien herauszuhalten. Als Präsident ließ er Syrien bombardieren und verstärkt jetzt die US-Truppen in Afghanistan.

Mit anderen Worten: Trump erfüllt seine Versprechen nicht.

Und es hört nicht auf: Am Freitag entschied ein Bundesgericht in Chicago, dass Trump den sogenannten "Sanctuary Cities" nicht einfach Zuschüsse aus der Bundeskasse streichen darf. Solche Strafen seien unverhältnismäßig. In "Sanctuary Cities" verzichtet die lokale Polizei darauf, jeden illegal eingereisten Ausländer gleich der Einwanderungsbehörde auf Bundesebene zu melden, wenn er etwa wegen eines Ladendiebstahls festgehalten wird.

Ein weiteres Geschenk von Trump an seine rechten Wähler könnte demnächst vom Kongress gestoppt werden. Sein Transgender-Ban wird mit einem Gesetzesentwurf aus dem Senat attackiert, den auch führende Republikaner unterstützen. Das Gesetz würde Trump im Grunde untersagen, bestimmte Bevölkerungsgruppen aus der US-Armee auszuschließen. Trump hatte zuvor per Dekret angeordnet, dass Transgender-Personen künftig nicht mehr neu in das Militär aufgenommen werden dürften, auch dann nicht, wenn sie kerngesund und fähig sind.

Trump drohen immer neue Konflikte mit den Kernwählern

Was Daca angeht, kommt weiteres Ungemach auf Trump zu. In rechten Medien wie Breitbart News wird alarmistisch berichtet, was ein Daca-Gesetz noch bedeuten könnte: Einen Schritt auf dem Weg zur amerikanischen Staatsbürgerschaft für viele Einwanderer. Amerikanische Staatsbürger wiederum hätten das Recht, enge Familienangehörige in die USA zu holen. Dann kämen nach Breitbarts Lesart zu den derzeit 800 000 Daca-Immigranten schnell Millionen neue Einwanderer hinzu.

"Chain Migration", ist der neue Kampfbegriff: "Kettenmigration". Der scheint Trump wirklich Angst zu machen, will er doch seine Kernanhängerschaft nicht noch weiter gegen sich aufbringen. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass "Kettenmigration" Teil einer Gesetzgebung zur Immigration werde, twitterte er am Freitag. Darüber, wie er das erreichen will, sagte er nichts. Grundsätzlich gilt: Wer sich mindestens fünf Jahre lang legal in den USA aufhält, arbeitet und einigermaßen Englisch lesen, schreiben und sprechen kann, kann US-Bürger werden.

Regierungssprecherin Sarah Sanders hatte am Freitag Mühe, Trumps Tweet zu erklären. Sie verwies lediglich darauf, dass schon in sieben bis zehn Tagen die Eckpunkte für einen Daca-Kompromiss mit den Demokraten vorgestellt werden sollen.

Am Donnerstag hatte Trump übrigens noch getwittert, es geben keinen Deal zu Daca. Jetzt aber scheint er es eilig zu haben, einen Deal, den es nicht gibt, möglichst schnell festzuzurren.

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