Donald Trump und die EU:Trump zerstört Europas Illusionen

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"Sehr offen": US-Präsident Donald Trump hat seinen europäischen Partnern deutlich zu verstehen gegeben, was er von ihnen hält. (Foto: Olivier Matthys/AP)
  • Der US-Präsident bezeichnet Nato-Mitglieder als säumige Schuldner und brüskiert damit seine internationalen Partner.
  • Die Hoffnungen, Trump werde sich schon bändigen lassen, haben sich scheinbar zerschlagen.

Von Daniel Brössler

Am Tag danach herrscht friedliche Schläfrigkeit in Brüssel. Im Nato-Hauptquartier empfängt Generalsekretär Jens Stoltenberg Herrn Bjarni Benediktsson. Das ist der Ministerpräsident von Island. EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sind auf Reisen, beim G-7-Gipfel in Taormina. Der Wirbelsturm, der am Donnerstag durch die Stadt gezogen ist, hat keine auf Anhieb sichtbaren Spuren hinterlassen, doch die Folgen werden noch lange abzuarbeiten sein. Zwar hat der Besuch von Donald Trump in der politischen Metropole des Kontinents keine wirklich neue Lage geschaffen, wohl aber eine ganze Reihe von Illusionen hinweggefegt.

In unterschiedlicher Weise gilt das sowohl für die Europäische Union als auch für die Nato. Beide verbindet, dass sie sich nun erst einmal sammeln müssen. Bei der Nato begann Generalsekretär Stoltenberg damit gleich nach Trumps Abreise. Müde und trotzig hielt er im Presseraum die Stellung und behauptete, dass es sich tatsächlich von ein"sehr gutes Treffen" gehandelt habe. Und das obwohl Trump alle wesentlichen Erwartungen an die eigens für ihn ausgerichtete Party so rüde beiseitegewischt hatte - so wie er auch während des Treffens im neuen Hauptquartier den Ministerpräsidenten von Montenegro zur Seite schob.

Nato-Treffen
:Und dann straft er die gesamte Mannschaft ab

Statt sich zur Nato zu bekennen, wirft Trump den anderen Mitgliedsstaaten vor, sie würden den USA "riesige Mengen Geld" schulden - und 27 Staats- und Regierungsschefs stehen plötzlich da wie eine Schulklasse.

Von Pia Ratzesberger

Dabei waren die Erwartungen eigentlich schon recht bescheiden gewesen. Zum einen hätte man von Trump gerne ein Bekenntnis zu Sinn und Zweck der Nato gehört, also zur Beistandsklausel, die in Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrags formuliert ist: "Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird." Im Wahlkampf hatte Trump dieses Versprechen zu einer Art Versicherungspolice degradiert, einzulösen nur nach bezahlten Prämien.

Zwar bezeichnet Trump die Allianz inzwischen nicht mehr als "obsolet", aber auf das eindeutige Bekenntnis zu Artikel 5 aber warteten die Verbündeten auch am Donnerstag vergeblich. Auch in der Rede vor dem neuen Hauptquartier beschimpfte Trump einen Teil der Verbündeten lediglich als säumige Schuldner. Stoltenberg versuchte sich dann in einer überraschenden Deutung: Der US-Präsident habe "sein Bekenntnis und das Bekenntnis der USA zur Nato, ... zu unserer kollektiven Verteidigung und den Sicherheitsgarantien nachdrücklich deutlich gemacht". Stoltenberg erläuterte das mit einer Argumentation, die zuvor schon Trumps Sprecher Sean Spicer den White-House-Reportern serviert hatte: Trump habe doch ein Mahnmal eingeweiht, das ausdrücklich dem nach den Terrorangriffen des 11. September 2001 erstmals aktivierten Artikel 5 gewidmet sei. Das sei doch "ein klarer Hinweis" auf das Bekenntnis zu eben jenem Artikel. Dieser Linie folgend bezeichnete auch der Nato-Generalsekretär die Einweihung des Mahnmals als "starkes Signal".

Gelten lassen wollte er auch nicht, dass die Zeremonie durch Trumps Pöbeleien verpatzt gewesen sein könnte. In seiner Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben der Partner sei Trump "sehr offen" gewesen, aber dessen "direkte" Art kenne man bereits. Wiewohl das stimmt, war es ja gerade die Hoffnung im Hauptquartier und in den Nato-Hauptstädten gewesen, dass Trump zumindest in Verteidigungsfragen gebändigt werden könnte.

Diplomaten haben in den vergangenen Wochen viel Mühe auf zwei Papiere verwandt, die Trumps Ruf nach gerechterer Lastenteilung und einer stärkeren Rolle der Nato im Anti-Terror-Kampf auf den Boden der Realität im Bündnis holen sollten. Herausgekommen ist die Bekräftigung des bereits 2014 gefassten Vorsatzes, bis 2024 bei den Verteidigungsausgaben einen "Richtwert" von zwei Prozent der Wirtschaftskraft anzustreben. Ausdrücklich wird festgelegt, dass die Diskussion um das Zwei-Prozent-Ziel "nicht wieder eröffnet wird", also auch nicht, um noch einmal draufzusatteln.

Neu ist, dass die Nato-Staaten nun jeden Dezember Berichte einreichen müssen, in denen sie darlegen sollen, wie sie ihre finanziellen und militärischen Zusagen im Folgejahr umsetzen wollen. Für die Art dieses Berichts gibt es allerdings auch auf deutsches Betreiben hin keine Vorgaben. Beim Kampf gegen den Terrorismus konnten sich die USA mit der Forderung durchsetzen, dass die Nato der Koalition gegen die Terrormiliz IS beitritt und den Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen ausweitet.

An Kampfeinsätzen soll sie sich aber weiterhin nicht beteiligen. In der Nato wird nun auf die beiden mit Zustimmung Trumps beschlossenen Papiere verwiesen. Sie sollen es sein, die gelten, nicht das Gepolter des Präsidenten, von dem offenbar auch Teile seiner eigenen Delegation entsetzt waren. Man will daran glauben, dass im Zweifel zumindest Verlass ist auf Trumps Umgebung, vor allem auf seinen Sicherheitsberater H. R. McMaster. Ob sich Trump im Ernstfall wirklich einbinden lasse, sei bisher nicht erprobt, warnt Jan Techau von der American Academy in Berlin. Es komme "sehr wohl darauf an, wer der Präsident ist". Der Auftritt in Brüssel habe gezeigt, dass die Unberechenbarkeit Trumps ein Problem bleibe.

Die einzige Strategie: Reden

Dieselbe Lehre gilt für die EU. "Er ist, wie er ist, und er wird sich nicht mehr ändern", sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU). Die EU müsse nun "selbstbewusst und zugleich gelassen" reagieren: "Wir müssen auf allen Ebenen reden, reden, reden." Dabei dürfe nicht nur Kontakt gesucht werden zu den bekannten Freunden Europas bei Demokraten und Republikanern. Es gelte, sich "um eine neue Generation von Amerikanern" zu kümmern, die bisher wenig mit der EU anfangen könne. Für den Freihandel mit den USA sieht McAllister noch Hoffnung. "TTIP wird so nicht kommen. Das Thema Handelsvertrag ist aber nicht tot", sagt er.

Mit Trump haben sich die EU-Spitzen am Donnerstag immerhin auf die Arbeit an einem Aktionsplan verständigt. Wohin der führen könnte, ist allerdings ungewiss. Als "schlecht, sehr schlecht" hatte Trump den deutschen Außenhandelsüberschuss gegeißelt und auch sonst keinerlei Verständnis für den Freihandel erkennen lassen. Kommissionspräsident Juncker bestätigte am Freitag in Taormina, dass das Zitat so gefallen ist, und wandte sich dabei gegen zugespitzte Übersetzungen: "Ich bin kein Spezialist im Englischen, wie man weiß, aber: Bad heißt nicht böse, schlecht reicht." Trumps Sprecher Spicer dagegen dementierte in Taormina: "Er hat das nicht gesagt", erklärte er, das sei mal wieder ein "falscher Bericht". Trump habe vielmehr "enorme Achtung vor Deutschland".

Nervös macht die Europäer, dass es anders als in Sicherheitsfragen in Handelsdingen in Trumps Umgebung kein Korrektiv zu geben scheint. Nach bisheriger Einschätzung könnten Trumps aggressive Töne sich in Regierungshandeln, sprich Strafzöllen, niederschlagen (siehe nebenstehenden Bericht). Zumindest was den Klimaschutz betrifft, schürt sein Wirtschaftsberater Gary Cohn aber Hoffnung. Trump neige hier zu Verständnis für die Europäer. Der Präsident wolle sich anhören, was "die europäischen Anführer zu sagen haben".

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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