Sturm auf das US-Kapitol:Pence widerspricht: "Trump liegt falsch"

Sturm auf das US-Kapitol: Beschrieb sich einst als "Christ, Konservativer und Republikaner - in dieser Reihenfolge": der frühere Vizepräsident Mike Pence.

Beschrieb sich einst als "Christ, Konservativer und Republikaner - in dieser Reihenfolge": der frühere Vizepräsident Mike Pence.

(Foto: Stephen M. Dowell/AP)

Als Vizepräsident diente er Donald Trump vier Jahre lang. Jetzt bezieht Pence zum ersten Mal Stellung zu den Ereignissen vom 6. Januar 2021, bricht definitiv mit dem Ex-Präsidenten und nennt ihn "unamerikanisch".

Von Fabian Fellmann, Washington

Der Mann zeigt Rückgrat. "Präsident Trump liegt falsch", sagte Mike Pence am Freitagabend zu den Putschversuchen des ehemaligen Präsidenten. "Ich hatte kein Recht, die Wahl umzustoßen."

Es ist das erste Mal, dass Trumps Vizepräsident öffentlich so deutlich Stellung bezieht zu den Ereignissen vom 6. Januar 2021. Zuvor hatte der stramm konservative Politiker dem Präsidenten vier Jahre lang loyal gedient. Bis Trump von ihm verlangte, die Zählung der Stimmen im US-Kongress zu hintertreiben. Trump setzte seinen Vizepräsidenten tagelang unter gewaltigen Druck, indem er ihn mit Memos bombardieren ließ und in Sitzungen, Telefonaten und öffentlich per Twitter aufforderte, die Wahl zu kippen.

Sie skandierten "Hängt Mike Pence"

Trumps Versuche gipfelten darin, dass er Tausende seiner Anhänger am 6. Januar zum Kapitol schickte. Hunderte überrannten die Polizei und drangen in das Gebäude ein, in dem Pence die Bestätigung des Wahlresultats leiten sollte. "Hängt Mike Pence", skandierte der Mob, der Vizepräsident musste die Sitzung abbrechen und sich in Sicherheit bringen, bis Polizeikräfte das Gebäude endlich wieder geräumt hatten, Stunden später.

Seither war Pence auf Tauchstation gegangen. Zwar standen seine Leute dem Parlamentsausschuss, der die Ereignisse vom 6. Januar untersucht, Rede und Antwort, Pence selber aber blieb wortkarg und bemerkte lediglich, Trump und er würden sich in diesem Punkt wohl nie mehr einig.

Nun hat Pence unaufgeregt, aber sehr bestimmt endgültig mit Trump gebrochen, indem er ihn namentlich maßregelte. "Ich habe in dieser Woche Präsident Trump sagen gehört, ich hätte das Recht, die Wahl umzustoßen", sagte der 62-Jährige. "Präsident Trump liegt falsch." Die Präsidentschaft gehöre dem amerikanischen Volk alleine, hielt Pence fest. "Es gibt keine unamerikanischere Idee als die Auffassung, irgendeine Einzelperson könne den amerikanischen Präsidenten bestimmen."

Der 6. Januar sei ein "dunkler Tag" gewesen, sagte Pence. Er forderte Trump und die Partei auf, das Wahlresultat endlich anzuerkennen und sich anderen Themen zuzuwenden. "Was auch immer die Zukunft für uns bereithält: Ich weiß, dass wir unsere Pflicht getan haben an jenem Tag", sagte Pence. "Jetzt ist es an der Zeit, nach vorne zu schauen." Wie er Joe Bidens Wahl nicht habe umstoßen können, habe auch dessen Vizepräsidentin Kamala Harris nicht die Macht zu verhindern, dass die Republikaner die Demokraten bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder besiegten.

Christ zuerst, Republikaner zuletzt

Pence hat sich das Ende einer besonderen Woche ausgesucht, um mit Trump öffentlich zu brechen - und eine besondere Zuhörerschaft. Er nutzte eine Rede vor einer Versammlung der Federalist Society in Florida, einer stockkonservativen Gruppe, die sich der wörtlichen Auslegung der amerikanischen Verfassung verschrieben hat. Im Raum sei es still geworden, als Pence zu seiner Rüge angesetzt habe, berichteten US-Medien. Einige Zuhörer hätten den Saal verlassen, einige Male ist auf Videoübertragungen jedoch auch höflicher Applaus zu hören.

Pence werden Ambitionen nachgesagt, 2024 für die Präsidentschaft zu kandidieren. Allerdings dürfte sich der altgediente Abgeordnete und frühere Gouverneur von Indiana am Freitagabend nicht nur mit Trump, sondern auch mit der Republikanischen Partei endgültig überworfen haben. Offensichtlich lässt ihm sein Gewissen keine andere Wahl, ihm, der sich einst beschrieb als "Christ, Konservativer und Republikaner - in dieser Reihenfolge".

Die Führungsriege der Republikanischen Partei hatte nur wenige Stunden vor Pence' Rede mehrere denkwürdige Beschlüsse gefällt, in denen sie den Sturm auf das Kapitol als zulässige politische Meinungsäußerung bezeichnet. In einer Resolution verurteilte die Partei ihre Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger dafür, dass diese im Parlamentsausschuss zum 6. Januar mitarbeiten, und versagte ihnen ab sofort jede Unterstützung. In der Resolution heißt es, die beiden beteiligten sich an der "Strafverfolgung gewöhnlicher Bürger, die an einem legitimen politischen Diskurs teilnahmen".

Dabei sind nur jene Demonstranten ins Visier der Justiz geraten, die auch wirklich über sämtliche Polizeisperren hinweg in das Parlamentsgebäude eingedrungen waren oder draußen Straftaten begangen hatten, etwa die 140 registrierten Gewalttaten auf Polizisten. Hohe Strafen drohen dabei nur jenen, die Verbrechen begangen haben. Rund der Hälfte der bisher über 750 Angeklagten werden aber lediglich kleinere Vergehen zur Last gelegt, die in aller Regel bedingte Strafen nach sich ziehen.

Republikaner reihen sich hinter Trump ein

Die Anführer der Republikaner beeilten sich am Freitagabend zu versichern, gewalttätige Demonstranten wolle die Partei mit dem Beschluss keinesfalls verteidigen. Doch die Sprache des Dokuments atmet einen ganz anderen Geist - jenen Donald Trumps, der die Partei noch immer fest genug in seinem Griff hält.

Am und unmittelbar nach dem 6. Januar hatten sich zahlreiche Republikaner überaus kritisch über Trump geäußert. Im Verlauf der Monate begannen sie jedoch, den Sturm auf das Kapitol zu verharmlosen, um ihn jetzt, ein Jahr später, lediglich noch als "legitimen" Protest zu bezeichnen. Pences Rüge dürfte daran kaum etwas ändern, weil die Anhängerschaft der Republikaner sie gar nicht erst zur Kenntnis nimmt: Während Pences deutliche Worte auf der Frontseite der meisten amerikanischen Newsportale zu lesen und hören war, publizierte sie Fox News, der Haussender der Republikaner, unter ferner liefen.

Zur SZ-Startseite

USA
:Donald Trump schweißt seine Kritiker zusammen

Eine überparteiliche Gruppe von Senatoren arbeitet an einer Wahlrechtsreform. Nur wollen die Demokraten viel weitreichendere Änderungen als die Republikaner. Und Trump bereitet längst sein Comeback vor.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: