Donald Trump:Trump könnte die westliche Ordnung unwiederbringlich zerstören

U.S. Republican presidential nominee Donald Trump appearing at a campaign roundtable event in Manchester

In der modernen US-Geschichte war keine Übergangsphase hin zur nächsten Präsidentschaft von derart großer Ungewissheit geprägt.

(Foto: REUTERS)

Dem nächsten US-Präsidenten fehlt das Bewusstsein für die fatale Wirkung seiner Taten und Worte. Das beweist nicht nur die Ernennung des kommenden Außenministers.

Kommentar von Stefan Kornelius

Von Henry Kissinger stammt die kühl-sarkastische Mahnung, dass Diplomatie keine Nebendisziplin der Psychiatrie sei. Allerdings hat der Republikaner Kissinger dieses Dogma erlassen, bevor der Republikaner Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde.

Wer heute Trump verstehen will, der benutzt Begriffe und Deutungsmuster aus der Psychologie und fragt, wie man dem Mann schmeicheln oder ihm ein Sieger-Gefühl unterjubeln könnte. Trump geht es nur um Trump. Wie viel Verstellung ist also nötig, um ihn zu erreichen?

In der modernen US-Geschichte war keine Übergangsphase hin zur nächsten Präsidentschaft von derart großer Ungewissheit, von Angst und gravierenden politischen Fehlern geprägt. Das Kabinett nimmt Gestalt an, und damit entsteht auch so etwas wie Orientierung über eine Politik. Den Rest erledigt der künftige Präsident mit seinen Kurznachrichten, die Menschen oder Börsenmilliarden vernichten, internationale Krisen schüren oder ganze Regierungsapparate in tiefe Verunsicherung stürzen.

Der nächste US-Präsident gibt Anlass zu ernster Sorge

Noch widersetzt sich der Verstand den Fakten. Aber mehr und mehr schält sich da eine Präsidentschaft heraus, die in Personen, Taten und Worten die liberale, westliche Ordnung unwiederbringlich zerstören könnte. In seiner Personalwahl hat der Präsident deutlich gemacht, dass er nur einen Fixpunkt in seiner Umgebung duldet: sich selbst. Kritiker und eigenwillige Charaktere werden gehört, wohl aber nur, um sie anschließend umso effektvoller fallen lassen zu können.

Beispielhaft ist etwa die Ernennung des Außenministers, ExxonMobil-Chef Rex Tillerson. Trump hätte eine starke Figur an seiner Seite dulden können, ein zweites Machtzentrum im State Department. Mitt Romney als Außenminister und gleichzeitig Verbindungsmann zur abgehängten Republikanischen Partei hätte Charme gehabt. Aber Trump hat an seinem Muster festgehalten. Personal und politische Linie: Es reicht jeden Morgen der Blick auf Trumps Twitter-Konto. Dieser Mann erträgt nichts - er, und nur er, steuert das Tagesprogramm mithilfe von Einzeilern, was er letztendlich wohl als Politik betrachtet.

Trump setzt so die im Wahlkampf perfektionierte Kommunikationsmethode fort. Behaupten, übertreiben, zuspitzen, verkürzen - ob er über die Kosten der neuen Präsidentenmaschine Air Force One schreibt oder über den eigenen Geheimdienst, über China oder Russland. Trump funktioniert wie ein Flammeninferno, man kann die Augen nicht davon lassen.

In diesem Stil liegt die größte Gefahr. Es ist schlimm genug, wenn ein Kandidat polarisiert oder gar lügt. Es ist aber noch eine ganz andere Sache, ob der mit unvergleichbarer Machtfülle ausgestattete Präsident der USA lügt und offenbar zwanghaft seinem Mitteilungsimpuls folgt. Lügen sind eine gefährliche Waffe, auch Halbwahrheiten haben in der demokratischen Politik nichts verloren. Ein US-Präsident lebt von seiner Glaubwürdigkeit, von der Kraft seiner Worte.

Ein nuklearer Rüstungswettlauf ist wieder denkbar

Wer wie Trump die Worte leichtfertig wählt und die Wahrheit beliebig einsetzt, der manipuliert die DNA der amerikanischen Demokratie. Richard Nixon spielte mit der nationalen Sicherheit und log; Bill Clinton spielte mit der Praktikantin und log; George W. Bush wurde von den Neocons in einen Krieg hineingelogen. Und Donald Trump? Ist noch nicht mal Präsident, aber sein hemdsärmeliger Umgang mit Fakten und Wahrheiten ist bereits jetzt vielhundertmal dokumentiert.

Trump scheint völlig das Bewusstsein dafür zu fehlen, welche fatale Wirkung seine Worte entfalten können. Er ignoriert, dass komplexe politische Zustände wie etwa das Verhältnis der USA zu China sich nicht auf 140 Zeichen reduzieren, geschweige denn mit 140 Zeichen steuern lassen.

Chinas Handelspolitik und vor allem die Insel-Sandburgen im Südchinesischen Meer mögen Anlass für eine ernste Auseinandersetzung sein. Aber Trump riskiert einen Krieg, wenn er Taiwan in diese Verhandlungsmasse einführt.

Das Russland-Bild des künftigen Präsidenten, so wie es sich nach seinem Wahlkampf und in der Personalwahl abzeichnet, zeugt zunächst von naiver Bewunderung für den starken Mann in Moskau. Dann aber stellt sich die Frage, warum Trump den aggressiven Charakter der russischen Politik ignoriert. Ist er etwa erpressbar oder steht in einem anderen Abhängigkeitsverhältnis?

Mit jedem Wort, mit jeder Tat unterminiert Trump das Vertrauen, das die Welt und besonders die Verbündeten in die USA setzen. Sein leichtfertiges Gerede über Atomwaffen zeugt nicht nur von einer schockierenden Unkenntnis der nuklearen Doktrin, es macht selbst einen nuklearen Rüstungswettlauf wieder denkbar.

Das Bündnisversprechen Amerikas ist mit Trump unsicher geworden und zwingt europäische wie asiatische Partner zur Neubewertung ihrer eigenen Sicherheit. So wird Donald Trump zur Belastung, noch ehe er den Amtseid abgelegt hat. Vielleicht sogar zur Gefahr.

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