Ehemaliger US-Präsident:Trump will Republikaner weiter führen

Bei seinem ersten Auftritt seit dem 20. Januar ergeht sich der Ex-Präsident in minutenlangen Falschbehauptungen über seine Wahlniederlage. Scharf kritisiert er seinen Nachfolger - und stellt seine Rückkehr in Aussicht.

Von Alan Cassidy, Washington

Es hatte sich einiges aufgestaut bei Donald Trump, kein Zweifel. Sein Twitter-Kanal ist seit einigen Wochen abgestellt, seine anderen Social-Media-Konten sind es auch, und Interviews hat der abgewählte Präsident seit seinem Abgang kaum gegeben. Wollte Trump etwas mitteilen, verschickte er Pressemitteilungen über sein Büro, das er sich in seinem Exil in Florida eingerichtet hat. Und an sich wäre es nicht außergewöhnlich, dass sich ein ehemaliger Präsident aus der Öffentlichkeit zurückzieht - es ist vielmehr die Regel.

Trump hat diese Regel gebrochen, wie so viele Regeln zuvor. Am Sonntagabend meldete er sich mit seinem ersten öffentlichen Auftritt seit dem 20. Januar zurück, mit einer eineinhalbstündigen Rede vor der CPAC-Konferenz in Orlando. Er kritisierte mit scharfen Worten die Politik seines Nachfolgers Joe Biden. Er erging sich in minutenlangen Falschbehauptungen über seine Wahlniederlage, die er immer noch auf Betrug zurückführt.

Und er bekräftigte seinen Anspruch, die Republikanische Partei weiterhin anzuführen. Er habe nicht vor, eine neue Partei zu gründen: "Wir haben die Republikanische Partei. Sie wird zusammenkommen und stärker sein als je zuvor."

Die CPAC ist eine jährliche Konferenz konservativer Politiker und Aktivisten. Ihre Teilnehmer sind nicht unbedingt repräsentativ für die republikanische Basis. In früheren Jahren dominierten dort phasenweise libertäre Stimmen, die in der nationalen Partei kein Gewicht haben. Und während seiner ersten Präsidentschaftskandidatur 2016 hatte Trump einen Auftritt bei der Konferenz kurzerhand abgesagt, nachdem einige Aktivisten Protest gegen ihn angekündigt hatten.

Manöverkritik nach der verlorenen Wahl? Fehlanzeige

Diesmal stand allerdings außer Frage, wen das Publikum hören und sehen wollte: Trump. Im Konferenzhotel hatte ein Künstler eine vergoldete Statue des Ex-Präsidenten aufgestellt, und im Saal wurden die Besucher in einer Erhebung gefragt, wen sie sich als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2024 wünschten. Trump landete mit 55 Prozent der Stimmen auf dem ersten Platz, deutlich vor Ron DeSantis, Floridas Gouverneur, der 21 Prozent holte. Alle anderen potenziellen Kandidaten waren abgeschlagen.

Trump und die anderen Redner auf der dreitägigen Konferenz vermittelten nicht den Eindruck, dass die Republikaner gerade die Präsidentschaft sowie auch die Mehrheit im US-Senat verloren haben. Es gab keine Manöverkritik, keine Forderung nach einer "Autopsie", die normalerweise nach Niederlagen auftaucht. Stattdessen behauptete Trump bei seinem Auftritt unverdrossen mindestens ein halbes Dutzend Mal, dass er gegen die Demokraten gewonnen habe wie schon 2016 : "Und wer weiß, ich könnte sogar entscheiden, sie ein drittes Mal zu schlagen."

Er klagte über kurzfristig geänderte Wahlgesetze, er fabulierte ohne jede Grundlage über "illegale Einwanderer und Tote, die gewählt haben", und über Wahlzettel mit seinem Namen, die verschwunden seien. Und Trump wiederholte all das, was er schon in den Tagen und Wochen vor dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol gesagt hatte: "Diese Wahl war manipuliert, und der Oberste Gerichtshof wollte nichts dagegen tun. Sie hatten den Mumm nicht." Die Menschen im Saal quittierten das, indem sie Trump zuriefen: "Du hast gewonnen, du hast gewonnen!"

Bedauern über das, was am 6. Januar im Kapitol geschah? Reue? Kein Wort dazu von Trump. Seine Berater hatten ihn gedrängt, vor allem über Joe Biden zu sprechen. Das tat Trump dann auch. Er kritisierte besonders die Migrationspolitik der neuen Regierung - ein Thema, das ihm im Wahlkampf 2016 genützt hatte, das aber in den vergangenen Kampagnen keine Rolle spielte. Er wies darauf hin, dass die Zahl der Migranten, die an der Südgrenze ankommen, zuletzt wieder stark angestiegen ist, und führte das zurück auf Bidens "Versprechen und dumme Worte", die "Hunderttausende und Millionen" Migranten in die USA locken würden. "Er hat eine massive Flut an illegaler Einwanderung ausgelöst."

Den Auftakt zu Bidens Amtszeit nannte Trump auch den "desaströsesten Monat", den ein Präsident je gehabt habe, und er machte seinen Nachfolger dafür verantwortlich, dass viele Schulen noch nicht zum Präsenzunterricht zurückgekehrt sind - ein weiteres Thema, von dem sich die Republikaner erhoffen, dass es ihnen gegen die Demokraten hilft.

Trumps Anhänger stellen sich als Opfer eines Kulturkampfes dar

Hauptthema der CPAC-Konferenz war die sogenannte Cancel Culture, die Amerika in den Augen vieler Konservativer zunehmend auszeichnet. Ein Redner nach dem anderen klagte, dass konservative Stimmen von der Politik, den Konzernen, den Universitäten und vom Kulturbetrieb gnadenlos ausgegrenzt würden. Das größte Opfer - und zugleich der Einzige, der dagegen wirklich ankämpft - ist in dieser Lesart Donald Trump.

"Sie werden euch verfolgen, sie werden eure Familien verfolgen und eure Arbeitgeber", rief der republikanische Abgeordnete Jim Jordan in den Saal. "Und auf welche Person haben sie es am meisten abgesehen?" Die Antwort gab Jordan selbst: Die Demokraten seien "besessen davon, Trump zu hassen". Das ändere aber nichts daran, dass Trump der Anführer der konservativen Bewegung sei, sagte Jordan - und in vier Jahren wieder der Anführer des ganzen Landes.

Was bei all dem Gerede über Cancel Culture nicht zur Sprache kam, war, dass Trumps Anhänger längst ihre eigene Cancel Culture betreiben. Jene republikanischen Politiker, die sich seit Trumps Behauptung von der gestohlenen Wahl von ihm distanziert haben, wurden von der Partei in den Bundesstaaten und von Trump-Loyalisten gemaßregelt. Bei der CPAC trat kein einziger Redner auf, der über Trump etwas Kritisches zu sagen hatte.

Dafür nahm sich Trump in seiner Rede Zeit, namentlich all jene Abgeordneten und Senatoren aufzuzählen, die für das Impeachment gegen ihn gestimmt hatten. Er rief zur Abwahl dieser Politiker auf. Er werde überall im Land Republikaner unterstützen, die auf seiner Linie Politik machten. Und er stellte in Aussicht, 2024 selbst wieder für die Präsidentschaft zu kandidieren: "Einem Republikaner wird 2024 die triumphale Rückkehr ins Weiße Haus gelingen. Ich frage mich, wer das sein wird? Wer, wer, wer?" Im Saal war die Antwort klar.

Zur SZ-Startseite

Arbeitsleben
:"Fieses Verhalten ist ansteckend"

Robert Sutton von der Stanford University ist mit einem Buch über den "Arschloch-Faktor" bekannt geworden. Er erklärt, wie man im Arbeitsleben mit schwierigen Kollegen klarkommt und was ihre Schikanen begünstigt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: