US-Präsident Trump und Coronavirus:Vom Krankenbett ins Weiße Haus

Die Entlassung des US-Präsidenten aus dem Walter-Reed-Krankenhaus war eine einzige Show. Ob sich Trump zurück im Weißen Haus verantwortungsvoll verhalten wird, scheint fraglich.

Von Alan Cassidy, Washington

Natürlich konnte Donald Trump nicht einfach so ins Weiße Haus zurückkehren. Nicht er, nicht jetzt, wo es für ihn um alles geht. Die Entlassung des US-Präsidenten aus dem Walter-Reed-Krankenhaus war eine einzige Show, inszeniert für die Abendnachrichten und die Kabelsender, die jede Minute direkt übertrugen: Trump, wie er aus dem Krankenhaus tritt. Trump im Präsidenten-Helikopter, der ihn über den Potomac River zum Weißen Haus fliegt und dort auf dem Rasen aufsetzt. Trump, der alleine die Stufen zur Residenz hoch geht, auf dem Vorbau zwischen den Säulen stehen bleibt - und dort für einen Moment sorgt, der seine Präsidentschaft prägen wird.

Drei Tage waren vergangen, seitdem Trump mit Corona-Symptomen ins Krankenhaus gebracht wurde. Drei Tage, während derer sich viele Amerikaner fragten: Was würde Corona mit Trump machen? Würde er, der das Virus stets heruntergespielt hatte, nun anders darüber reden? Würde er einen neuen Ton anschlagen, zur Vorsicht aufrufen, zur Rücksicht gegenüber anderen - und diese auch gleich selbst vorleben? Möglich wäre es gewesen.

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Trump entschied sich für einen anderen Weg. Am Montagabend nach seiner Krankenhausentlassung stellte sich der 74-Jährige vor den Eingang zum Weißen Haus, drehte sich zu den TV-Kameras um und zog sich demonstrativ die Schutzmaske vom Gesicht. Er stopfte sie in seine Sakkotasche, richtete den Blick auf den Helikopter vor ihm, salutierte und verschwand durch die Türe. Eine Geste des Triumphs - eine Geste des Trotzes.

Ein geläuterter Präsident? Fehlanzeige

"Gestört", nannte der demokratische Berater David Axelrod die Szenen, und das war noch einer der milderen Kommentare, die von den Kritikern des Präsidenten zu hören und zu lesen waren. Drinnen im Weißen Haus sagte der Präsident in eine Kamera, was er einige Stunden zuvor schon auf Twitter über das Coronavirus geschrieben hatte: "Lasst nicht zu, dass es euch dominiert. Lasst nicht zu, dass es euer Leben übernimmt. Fürchtet euch nicht davor."

Aus all dem bastelte Trumps Wahlkampfteam einen mit dramatischer Musik unterlegten Werbespot, den der Präsident auf Twitter teilte. Trump als Bezwinger des Virus: Das war die nicht sehr subtile Botschaft des Videos. Eine Rückkehr, von der Trump im Krankenbett wohl geträumt haben dürfte, kommentierte Politico. Wie das bei Trumps Anhängern ankam, konnte man schon zuvor auf dem Twitter-Account des republikanischen Abgeordneten Matt Gaetz lesen. "Präsident Trump muss sich nicht von Covid erholen", stand dort in Anspielung auf das Genre der Chuck-Norris-Witze, "Covid muss sich von Präsident Trump erholen."

Falls jemand auf einen geläuterten Präsidenten gehofft hatte, einen, der über die Pandemie nicht ständig redete, als wäre sie kein Problem: Er wurde enttäuscht.

TV-Bilder zeigen einen Präsidenten, der offenbar nach Luft schnappt

Was man in Trumps Wahlkampfspot nicht sieht, ist die Mühe, die Trump offenbar beim Atmen verspürte, nachdem er die Treppen zum South Portico des Weißen Hauses hoch geschritten war. TV-Bilder zeigten einen Präsidenten, der während einiger Momente offenbar nach Luft schnappte und dabei das Gesicht verzog. Ganz überraschend ist das nicht: Nach seiner Infektion musste Trump zweimal mit Sauerstoff behandelt werden. Trumps Ärzte hatten vor seiner Entlassung am Montag gesagt, dass er "noch nicht ganz über den Berg" sei. Journalistenfragen nach dem Zustand von Trumps Lunge beantworteten die Ärzte nicht.

Trump erhält zudem unter anderem den Entzündungshemmer Dexamethason, den die Weltgesundheitsorganisation WHO nur für schwere Covid-Verläufe empfiehlt. Wie gut es dem Präsidenten wirklich geht, ist nach einem Wochenende voller ungenauer und widersprüchlicher Aussagen seiner Ärzte und Berater offen.

Fest steht dagegen, dass Trump in ein anderes Weißes Haus zurückkehrt - eines, das inzwischen zum Corona-Hotspot geworden ist. In den vergangenen Tagen wurde mehr als ein halbes Dutzend Mitarbeiter positiv getestet, darunter die Pressesprecherin Kayleigh McEnany. Die Platzverhältnisse für Angestellte sowie für Journalisten, die aus dem Weißen Haus berichten, sind notorisch eng - ein ideales Verbreitungsgebiet für ein ansteckendes Virus. Welche Vorsichtsmaßnahmen das Weiße Haus getroffen hat, um die Angestellten vor dem mutmaßlich immer noch ansteckenden Trump zu schützen, wurde nicht bekannt.

Wann Trump erstmals positiv getestet wurde, ist unklar

Dabei besteht schon jetzt der Verdacht, dass Trump nach seiner Ansteckung fahrlässig bis rücksichtslos gehandelt hat. Vergangenen Donnerstag besuchte der Präsident, der selten bis nie Masken trug und auf die Einhaltung von Abstandsregeln verzichtete, eine Wahlkampfveranstaltung mit Spendern, obwohl das Weiße Haus da laut Medienberichten schon wusste, dass sich eine von Trumps engsten Beraterinnen mit dem Virus infiziert hatte und mit Symptomen zu Hause geblieben war. Wann genau Trump selbst das erste positive Testergebnis bekam, wollten seine Ärzte auch am Montag nicht beantworten.

Sicher ist, dass in Washington aus einer vermeintlich erfreulichen Angelegenheit - der Entlassung des erkrankten Staatsoberhaupts aus der Klinik - ein Streitthema geworden ist. Auch wegen Trump. In dem Video, das er nach seiner Ankunft im Weißen Haus twitterte, sagt Trump über seine Ansteckung mit dem Virus: "Ich wusste, dass es gefährlich war, aber ich habe mich nach vorne gestellt und geführt. Kein Leader hätte anders gehandelt als ich." Und eine Sprecherin seines Wahlkampfteams sagte bei Fox News, dass Trump nun "Erfahrungen aus erster Hand" über den Kampf gegen Corona habe, über die sein demokratischer Herausforderer Joe Biden nicht verfüge. Eine Corona-Erkrankung als Beweis für Führungsstärke: Auch das gehört offenbar zur Show des Donald Trump.

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