Die Nato funktioniert nach dem Musketier-Schwur: einer für alle, alle für einen. Wobei das "einer für alle" wichtiger ist, denn dieser eine ist Amerika. Die Beistandspflicht in Artikel 5 des Nato-Vertrags ist vor allem eine Selbstverpflichtung der USA, die europäischen Verbündeten im Falle eines militärischen Angriffs zu verteidigen.
Wenn der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump diese Beistandspflicht nun an Bedingungen koppelt, wenn er zunächst prüfen will, ob ein angegriffenes Nato-Mitglied auch schön brav war, dann stellt er den Daseinszweck der Nato infrage. Aus der Pflicht zum Beistand macht er ein politisches Gegengeschäft. Welche "Verpflichtungen" gegenüber den USA soll denn ein Kleinstaat wie Lettland erfüllt haben, bevor Trump ihn für würdig befindet, etwa gegen einen russischen Angriff verteidigt zu werden?
Trump wirft mit einem einzigen Satz sechs Jahrzehnte amerikanischer Bündnispolitik aus dem Fenster. Die Beistandspflicht ist das Herz der Nato, Trump stößt sie ab wie ein unrentables Grundstück. Er lädt damit Russland geradezu ein, den Radius seiner Aggressionen auch auf Nato-Staaten zu erweitern. Das ist so dumm wie gefährlich. Denn profitieren wird davon nicht Amerika, sondern Russland. Die Demontage der Nato - was dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht gelungen ist, erledigt vielleicht demnächst sein amerikanischer Kollege.