Die Zitterpartie dauert länger, als Mike Johnson es sich gewünscht hatte. Nach quälend langen Feiertagen erhielt der Abgeordnete der Republikaner aus Louisiana erst am 30. Dezember den Segen von Donald Trump. Johnson sei ein guter, hart arbeitender und religiöser Mann, verkündete der künftige Präsident. „Er wird das Richtige tun, und wir werden weiterhin gewinnen“, fügte Trump noch an, damit der gute Mann auch weiß, was er zu tun hat: Das Richtige, will heißen: das, was der Boss für das Richtige hält.
Mike Johnson war „Speaker of the House“ im soeben aufgelösten 118. United States Congress, und er führte da oftmals aus, was Trump ihm geheißen hatte. Aber noch immer ist nicht sicher, ob er in seiner Funktion erneut gewählt wird, wenn der 119. Kongress im Kapitol in Washington seine erste Sitzung abhält. Es ist der erste Termin in einem ganzen Reigen von Ritualen zur Machtübergabe in einer der ältesten Demokratien der Welt.
Ein Ritual, das Donald Trump nun formell an die Macht bringen wird. Jenen Mann, der es vor vier Jahren aufs Gröbste missachtet hat.
3. Januar: Bewährungsprobe für Mike Johnson im House
Erstmals nach dem Wahltag vom November tagen am Freitag, 3. Januar, die beiden Kammern des Kongresses in neuer Zusammensetzung. Im Repräsentantenhaus sinkt zum ersten Mal seit 1991 die Zahl der Frauen, von 127 auf 125 von insgesamt 435. Die Republikaner verfügen über 220 Sitze, die Demokraten haben 215 Mandate. Die Mehrheitsverhältnisse sind damit denkbar knapp. Trumps Partei kann sich im House kaum abweichende Stimmen leisten.
Wegen der knappen Übermacht bangt Mike Johnson um sein Amt als Speaker. Zum Ende des 118. Kongresses musste er einen Notfallhaushalt durchboxen, eine schwierige Aufgabe, weil Donald Trump und sein „Sidekick“ Elon Musk die Verhandlungen mit widersprüchlichen Auflagen erschwerten. Erst beim dritten Anlauf gelang es Johnson, einen Stillstand kurz vor Weihnachten abzuwenden. Dabei verärgerte er sowohl Trump als auch den ultrarechten Rand der Partei.
Während der Feiertage wurde darum eifrig darüber diskutiert, ob Johnson nun sein Amt verlieren könnte. Tagelang ließ ihn Trump zappeln, indem er sich nicht öffentlich hinter den Speaker stellte. Nach dem späten Segen ist noch immer unklar, wie Johnsons Chancen stehen, mit wie viel Chaos die Republikaner in Donald Trumps Präsidentschaft starten. Die Wahl des Speakers ist der erste Punkt auf der Tagesordnung am Freitag, nach einem Gebet und dem „Pledge of Allegiance“, dem Treueschwur auf Flagge und Republik. Das amtsälteste Mitglied wird den Amtseid des Speakers abnehmen; die Ehre kommt Hal Rogers zu, einem Republikaner aus Kentucky, der seit 1981 im Repräsentantenhaus sitzt. Daraufhin nimmt der Speaker den Amtseid der anderen Abgeordneten ab, und das House dürfte die Besetzung seiner Ausschüsse in Angriff nehmen.
3. Januar: Die schmerzliche Pflicht für Kamala Harris im Senat
Ebenfalls am 3. Januar tagt der Senat erstmals in seiner neuen Zusammensetzung. Vizepräsidentin Kamala Harris hat als Präsidentin des Senats die eher schmerzliche Aufgabe, als eine ihrer letzten Amtshandlungen den Eid der zwölf neuen Mitglieder abzunehmen. Fortan werden die Republikaner mit 53 Mandaten die Mehrheit in der kleinen Kammer ausüben. Der neue Mehrheitsführer ist John Thune aus South Dakota; er wurde von seinen Parteikollegen bereits gewählt. Schon bald werden die Republikaner zwei Senatoren ersetzen müssen: J. D. Vance aus Ohio, der Vizepräsident wird, und Marco Rubio, der für den Posten des Außenministers vorgesehen ist. Die Republikaner wollen umgehend die Überprüfung von Trumps Kabinettskandidaten in Angriff nehmen. Der formelle Bestätigungsprozess kann zwar erst beginnen, wenn Trump im Amt ist. Dann aber soll es möglichst rasch vorwärtsgehen.
6. Januar: Die wichtige Formalie, diesmal ohne Schande
Der neue Kongress trifft sich am 6. Januar für die Zeremonie zur Auszählung der Stimmen der Präsidentschaftswahl. Dabei dürfte es sich um eine Formalie handeln – nachdem Donald Trump und seine Anhänger vor vier Jahren einen nationalen Tag der Schande daraus gemacht hatten. Die Tradition geht zurück auf die Anfangszeit der USA, als wochenlange Fristen nötig waren, um die Wahlresultate aus allen Ecken der riesigen Republik nach Washington zu transportieren. Formell geht es darum, dass die Senatspräsidentin die Briefe mit den Zertifikaten öffnet, in denen die Elektoren in jedem Staat ihre Stimmen für die Präsidentschaftskandidaten festgehalten haben. In einer gemeinsamen Kongresssitzung, die um 13 Uhr Ortszeit beginnt, zählen Senat und Repräsentantenhaus die Stimmen und entscheiden über allfällige Einsprüche. 2021 versuchten republikanische Kongressmitglieder, dabei die Wahl von Joe Biden zu hintertreiben – sekundiert von mehreren Tausend Trump-Anhängern, die das Kapitol stürmten und die Kongresssitzung für mehrere Stunden unterbrachen.
20. Januar: Abschied von Joe Biden und Kamala Harris, Amtseinführung von Donald Trump und J. D. Vance
Triumphal wird Donald Trump am 20. Januar seine Amtseinführung feiern – eine Tradition, die er selbst vier Jahre zuvor mit Füßen getreten hatte. Nach einem Gottesdienst werden Trump, die künftige First Lady Melania Trump sowie J. D. und Usha Vance im Weißen Haus erwartet. Nach einem kurzen Treffen dürften Joe Biden und First Lady Jill Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris und Second Gentleman Doug Emhoff und ihre Nachfolger gemeinsam zur feierlichen Amtseinführung im US-Kapitol fahren.
Ein übel gelaunter Trump war vor vier Jahren kurzerhand am Morgen mit dem Präsidentenhubschrauber Marine 1 davongeflogen, ohne Biden zu begrüßen. Diesmal aber dürfte der Feiertag wieder dem traditionellen Ablauf folgen. Am Mittag (Ortszeit) wird die Macht auf den 47. Präsidenten übergehen.
Die Zeremonie vor Tausenden Gästen aus aller Welt findet auf einer Bühne auf der Westseite des Kapitols statt. Zuerst wird John Roberts, der Vorsitzende des Obersten Gerichts, den Amtseid von Vizepräsident J. D. Vance abnehmen. Danach wird Donald Trump erneut den Schwur auf die Verfassung ablegen, den er vier Jahre zuvor verletzt hatte. Nach einem Mittagessen wohnen die beiden Neugewählten auf der Ostseite des Gebäudes einer Truppenparade bei, worauf sie von Armee- und Musikformationen sowie Schaulustigen auf der Pennsylvania Avenue zum Weißen Haus begleitet werden. Dort will Trump sofort die ersten Dekrete unterschreiben – in erster Linie gegen die Einwanderung, wie er versprochen hat.
Umgehend will der neue Präsident dann auch offiziell jene Regierungsmitglieder nominieren, die er in den vergangenen Wochen schon vorgeschlagen hat. Er ist fest entschlossen, schnell zu handeln. Denn schon in weniger als zwei Jahren stehen die nächsten Wahlen bevor, für das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats. Und die Geschichte legt nahe, dass Trump und die Republikaner ihre Mehrheit dann bereits wieder verlieren dürften. Der Abend soll aber nicht im parteipolitischen Hickhack enden, sondern mit einem glamourösen Ball.
Nur ein Detail dürfte Donald Trumps Festfreude trüben. Die Flaggen werden während aller Feierlichkeiten auf halbmast stehen, zu Ehren von Jimmy Carter, dem vor wenigen Tagen verstorbenen 39. Präsidenten der Vereinigten Staaten – und scharfen Kritiker des 45. sowie 47. Präsidenten.