Dokumente der CIA:Aus dem Tagebuch von Osama bin Laden

Osama bin Laden

Bin Laden gilt als Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA.

(Foto: Mazhar Ali Khan/dpa)
  • Die CIA hat Hunderttausende Dateien aus dem Nachlass des getöteten al-Qaida-Chefs Osama bin Laden freigegeben.
  • Der politisch brisanteste Teil darin dürften Dokumente über Verbindungen zwischen der Terrormiliz und Iran sein.
  • Trumps Kritiker warnen den US-Präsidenten jedoch, das Material politisch zu instrumentalisieren.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Ein junger Mann mit schwarzem Schnauzer, weichen Gesichtszügen, verlegen lächelnd, gekleidet in einen beigen Umhang mit goldener Borte. Das ist Hamza bin Laden am Tag seiner Hochzeit. Das Video ist Teil einer 470 000 Dateien umfassende Sammlung aus dem Versteck seines Vaters, des getöteten Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden, die nun der US-Auslandsgeheimdienst CIA freigegeben hat. Erbeutet hatte die Dokumente ein Team von Navy-Seals, die am 2. Mai 2011 Bin Ladens Haus in der pakistanischen Stadt Abottabad stürmten und den Terror-Führer erschossen, ebenso dessen Sohn Khalid, einen Al-Qaida-Kurier und zwei weitere Menschen.

Die Aufnahmen zeigen womöglich den künftigen Führer von al-Qaida. Dazu hatte sein Vater ihn auserkoren, wie früher veröffentlichte Dokumente aus dem Versteck nahelegen. Bisher gab es von dem 1989 im saudischen Jiddah geborenen Hamza nur ein Kinderfoto. In einer Audio-Botschaft im Jahr 2015 stellte Ayman al-Zawahiri, Bin Ladens Nachfolger, dessen Sohn als Mitglied des Terrornetzwerks vor - seither hat Hamza mehrmals dazu aufgerufen, den Tod seines Vaters an den Amerikanern zu rächen. Zum Jahrestag des 11. September 2001 veröffentlichte al-Qaida ein Bild des World Trade Center, darübergelegt das Kinderfoto von Hamza bin Laden.

Hamza bin Laden

Ein von der CIA veröffentlichtes Video-Standbild zeigt Hamza bin Laden, den Sohn des 2011 getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden, bei seiner Hochzeit.

(Foto: dpa)

Seine Abstammung, sein Name alleine könnten ihn zu einer charismatischeren Führungsfigur der Dschihadisten werden lassen, als es der spröde Zawahiri je sein kann. Während die einst im Irak als Abspaltung von al-Qaida entstandene Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor der militärischen Niederlage steht, hofft al-Qaida auf ein Revival als tonangebendes Netzwerk des internationalen Dschihadismus.

Offenbar entdeckte bin Laden den Dschihadismus in seiner Studienzeit

Die nun freigegebenen Daten verraten nicht allzu viel darüber, wie dieser Weg aussehen könnte, zumal die Geheimdienste sensibles Material weiter zurückhalten. Sie verdichten aber das Bild, das schon durch drei vorangegangene Veröffentlichungen von Material aus dem Versteck und anderen Quellen entstanden ist. So etwa, dass Bin Laden bis kurz vor seinem Tod weltweit mit Anhängern kommunizierte und versuchte, das Al-Qaida-Netzwerk zu steuern. Ziel sei es, "weitere Einblicke in die Planungen und Arbeitsweise dieser Terrororganisation zu gewinnen", sagte CIA-Chef Mike Pompeo. Allerdings war die Internetseite mit den Dokumenten zunächst nicht zu erreichen - aus technischen Gründen, wie es auf der CIA-Seite hieß.

Zugänglich ist das Tagebuch Osama bin Ladens, von dem der Blog Long War Journal eine Kopie ins Netz stellte. Bin Laden schreibt darin etwa über die Ereignisse des Arabischen Frühlings zu Beginn des Jahres 2011 und wie al-Qaida sie für sich nutzen könne. Während er prophezeit, dass dies in Ägypten und Tunesien lange dauern werde, habe "Libyen die Tür für die Dschihadisten geöffnet". Auch berichtet Bin Laden über eine Reise nach Großbritannien als Jugendlicher, bei der er festgestellt habe, wie unmoralisch der Westen sei. Den Dschihad habe er in seiner Studienzeit für sich entdeckt. Die meisten Biografen gingen bisher davon aus, Bin Laden habe sich im Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan radikalisiert. Manche der Aufzeichnungen, gegliedert in Frage und Antwort, stammen offenbar von seinem Sohn Khalid.

Der politisch brisanteste Teil dürften allerdings Dokumente zu Verbindungen zwischen al-Qaida und Iran sein - darunter das Hochzeitsvideo, das laut den Autoren des Long War Journal Hinweise enthält, dass es in Iran aufgenommen wurde. Ebenso veröffentlichten sie ein 19-seitiges Dokument, in dem ein namentlich nicht bekannter Al-Qaida-Kader Irans Unterstützung referiert. Das schiitische Regime der Islamischen Republik habe demnach "saudischen Brüdern" der sunnitischen Extremisten-Organisation "alles was sie brauchten" zur Verfügung gestellt, einschließlich Geld, Waffen und Ausbildung in Camps der schiitischen Hisbollah-Miliz in Libanon - wenn al-Qaida im Gegenzug US-Ziele in Saudi-Arabien und im Golf attackiere.

Ex-CIA-Offizier fühlt sich an die Zeit vor dem US-Einmarsch im Irak erinnert

Diese Verbindungen sind zu einem guten Teil bekannt: Iran gewährte nach dem 11. September einigen Al-Qaida-Leuten Unterschlupf, inhaftierte aber auch einige von ihnen. Acht der zehn 9/11-Hijacker waren durch Iran gereist; all dies steht schon im 2004 vorgelegten Bericht der überparteilichen US-Untersuchungskommission zu den Anschlägen. Bin Laden warnte 2007 in einem Brief die al-Qaida im Irak vor Anschlägen gegen Iran, weil dies die Unterstützung gefährden könne - Angriffe auf Schiiten waren einer der Streitpunkte, die letztlich zur Abspaltung des IS beitrugen.

Die Autoren des Long War Journal sind als Terrorismusexperten anerkannt; die CIA hatte ihnen die Dokumente vorab zur Verfügung gestellt. Allerdings sind die beiden Institutionen, die hinter dem Projekt stehen, die Foundation for Defense of Democracies und das American Enterprise Institute, Denkfabriken, die eine harte Haltung gegenüber Iran fordern und Front gegen das Atomabkommen machen. US-Präsident Donald Trump kritisierte in seiner Rede zur Iran-Strategie scharf und detailliert die Unterstützung für al-Qaida.

Trumps Kritiker, etwa der frühere CIA-Offizier Ned Price, der unter Präsident Barack Obama im Nationalen Sicherheitsrat diente, warnen vor einer politischen Instrumentalisierung von Geheimdiensterkenntnissen. Price, der wegen Trump seinen Dienst quittierte, fühlt sich gar an die Versuche von Ex-Vizepräsident Dick Cheney erinnert, vor dem US-Einmarsch im Irak 2003 Saddam Hussein mit al-Qaida in Verbindung zu bringen; er behauptete, der 9/11-Attentäter Mohammed Atta habe sich in Prag mit irakischen Geheimdienstlern getroffen. CIA-Chef Pompeo, auch er als Iran-Falke bekannt, habe die neue Veröffentlichung angeordnet, obwohl Obamas Geheimdienst-Zar James Clapper bereits alle für die Öffentlichkeit als relevant erachteten Dokumente freigegeben habe.

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