Süddeutsche Zeitung

Dobrindts Pläne zur Pkw-Maut:Kompliziert und riskant

Drei verschiedene Vignetten und eine kleine Steuerreform: Verkehrsminister Dobrindt stellt am Mittag sein Konzept für eine Pkw-Maut vor. Es scheint nicht nur äußerst kompliziert zu sein, sondern auch die Kfz-Steuer zu ändern. Und was sagt die EU dazu?

Von Daniela Kuhr

Die vergangenen Tage waren nicht leicht für Alexander Dobrindt. Böse Gerüchte hatten in Berlin die Runde gemacht: So hieß es noch vor drei Wochen, der Verkehrsminister habe immer noch kein Konzept für eine Pkw-Maut. Kurz darauf wurde kolportiert, jetzt habe er zwar eines, doch Kanzlerin und Bundesfinanzminister hätten Bedenken dagegen. Angela Merkel soll Dobrindt, der immer versprochen hatte, sein Konzept noch vor der Sommerpause vorzulegen, sogar "zurückgepfiffen" haben. Doch spätestens jetzt ist klar: Das war alles dummes Zeugs.

An diesem Montag um 13 Uhr wird der Minister vor die Presse treten, detailliert seine Pläne für eine Pkw-Maut vorstellen - und damit alle Lügen strafen, die zuletzt so hämisch über ihn geredet haben. Denn eines steht fest: Etwas derart Kompliziertes kann sich kein Mensch innerhalb weniger Tage ausgedacht haben. Stimmen die Details, die der Spiegel und die Bild am Sonntag am Wochenende meldeten, ist das Konzept auf jeden Fall extrem schwer verdauliche Kost.

Am einfachsten ist noch ein Punkt, der zugleich jedoch ziemlich überraschend kommt: So soll die Maut, anders als erwartet, nicht nur für Autobahnen erhoben werden, sondern auch für Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen. Ein ziemlich raffinierter Schachzug eigentlich, denn damit bremst Dobrindt zumindest schon mal jene Kritiker aus, die eine Pkw-Maut für Ausländer allein deshalb ablehnen, weil sie die Fahrer veranlassen könnte, Autobahnen zu meiden und auf kleinere Straßen auszuweichen.

Der zweite, leicht verständliche Punkt sind die Kosten: So soll es eine Zehn-Tages-Vignette für 10 Euro geben und eine Zwei-Monats-Vignette für 20 Euro. Bei der Jahresvignette aber wird es bereits kompliziert: Denn für sie ist kein einheitlicher Preis vorgesehen, sondern ein Preis, der je nach Automodell variiert. Er soll von der Motorgröße, dem Baujahr sowie der Umweltfreundlichkeit des Autos abhängen.

Die Rechnung sieht wie folgt aus: Für ein benzinbetriebenes Auto, das nach Juli 2009 zugelassen wurde, fallen zwei Euro je angefangenen 100 Kubikzentimeter Hubraum an - allerdings maximal für 5000 Kubikzentimeter. Bei einem Diesel werden 9,50 Euro je angefangenen 100 Kubikzentimeter Hubraum berechnet, maximal aber für 1100 Kubikzentimeter. Bei Autos, die vor Juli 2009 zugelassen wurden, spielt zudem die Euro-Schadstoffklasse eine Rolle.

Ausländer sollen nicht mehr als 100 Euro pro Jahr bezahlen müssen

Rechenbeispiele, die der Minister hat erstellen lassen, zeigen: Ein benzinbetriebener VW Polo 1.2 TSI, Baujahr 2013, müsste bei einem Hubraum von 1197 Kubikzentimetern eine Maut in Höhe von 24 Euro zahlen (2 Euro mal 12 angefangene 100 Kubikzentimeter). Ein VW Passat 5, Diesel, Baujahr 2012, dagegen müsste bei einem Hubraum von 1986 Kubikzentimetern eine Maut in Höhe von 104,50 Euro zahlen (9,50 Euro mal 11 angefangene 100 Kubikzentimeter, da die Kappungsgrenze bei 1100 Kubikzentimetern liegt). Solche Berechnungen lassen sich für jedes beliebige Modell erstellen. Denkbar sind demnach Mautsätze von etwa 20 bis 150 Euro.

Ausländer aber, die sich ebenfalls für eine Jahresvignette entscheiden, sollen nicht mehr als rund 100 Euro bezahlen müssen. Damit will Dobrindt dem Vorwurf entgegentreten, er wolle ausländische Fahrzeughalter diskriminieren. Ob ihm das gelingt, ist allerdings fraglich, denn sein Konzept - als wäre es bis zu dieser Stelle nicht schon kompliziert genug - hat noch eine zweite Komponente: die Entlastung der inländischen Autofahrer. Das hatte die CSU im Wahlkampf versprochen, und darauf hatte die Bundeskanzlerin auch bestanden. Daher steht im Koalitionsvertrag, dass durch die Maut "kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet" werden dürfe "als heute".

Das aber wird dem Verkehrsminister nur gelingen mit einer Reform der Kfz-Steuer. Sie soll in gleichem Maße sinken, wie die Kosten für den einzelnen Autofahrer durch die Maut steigen. So plant Dobrindt, eine Freigrenze in Höhe der jeweiligen Maut einzuführen, auf die der Fahrzeughalter keine Steuern zahlen muss. Für die bereits erwähnten Beispiele würde das bedeuten: Derzeit zahlt der VW Polo 1.2 TSI jährlich 52 Euro Kfz-Steuer. Dieser Betrag würde künftig um die 24 Euro Maut gesenkt, sodass nur noch eine Kfz-Steuer in Höhe von 28 Euro fällig wäre.

Der Haken an Dobrindts Plänen: das EU-Recht und Wolfgang Schäuble

Der VW Passat dagegen zahlt derzeit 242 Euro Kfz-Steuer. In Zukunft würden davon 104,50 Euro Maut abgezogen, sodass er nur noch mit 137,50 Euro zur Kasse gebeten würde. Damit hätte Dobrindt sein Versprechen eingehalten: Die Maut trifft nur Ausländer, kein Deutscher muss mehr bezahlen als bislang. Allerdings hat die Sache noch einen Haken, oder genauer gesagt, zwei: das EU-Recht und Wolfgang Schäuble.

Der Finanzminister müsste nämlich mitspielen, wenn Dobrindt seine Pläne wahrmachen will. Zum einen müsste Schäuble auf einen Teil der Einnahmen aus der Kfz-Steuer verzichten, die ihm derzeit jährlich immerhin mehr als acht Milliarden Euro einbringt. Zum anderen aber müsste er das Kfz-Steuer-System grundlegend reformieren, wenn die Kosten für die Maut in Zukunft steuerlich berücksichtigt werden sollen. Bislang hat Schäuble noch nicht zugestimmt. Die beiden Ministerien seien dazu "in Gesprächen", hieß es am Wochenende aus Regierungskreisen. Was letztlich nichts anderes bedeutet, als dass es noch keine Einigung gibt.

Doch das womöglich noch größere Problem dürfte das EU-Recht sein, das den Mitgliedstaaten verbietet, Ausländer zu diskriminieren. Als der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer im vergangenen Herbst nach Brüssel zu EU-Verkehrskommissar Siim Kallas gereist ist, hat dieser ihm einen Satz eingebläut, den Ramsauer noch heute im Schlaf aufsagen kann: "No link between tax and toll!" Soll heißen: Es darf keine unmittelbare Verknüpfung zwischen der Maut und einer inländischen Steuer geben.

Könnten also etwa Deutsche ihre Mautkosten steuerlich geltend machen, Ausländer aber nicht, wäre das in den Augen des Verkehrskommissars ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Im Moment aber sieht es ganz danach aus, als seien Dobrindts Pläne nicht weit davon entfernt. Ramsauer hätte seinem Nachfolger schon vor Monaten sagen können, dass man das in Brüssel für problematisch hält. Doch Dobrindt hat ihn nie gefragt.

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SZ vom 07.07.2014/dayk/rus
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