Süddeutsche Zeitung

DNA-Spur von Böhnhardt:Zschäpe will sich zum Mordfall Peggy äußern

  • Das im Jahr 2001 verschwundene und getötete Mädchen Peggy wird Gegenstand des NSU-Prozesses. Am Fundort waren DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden worden.
  • Die im Angeklagte Beate Zschäpe will sich schriftlich zum Mordfall Peggy äußern..
  • Die Nebenklagevertreter beantragten, die Ermittlungsakten im Fall Peggy zum Prozess gegen die Terrorzelle NSU beizuziehen.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger und Wiebke Ramm

Der Mordfall an Peggy Knobloch beschäftigt nun auch den NSU-Prozess, nachdem vor zehn Tagen überraschend bekannt geworden war, dass neben den Knochen des Mädchens eine DNA-Spur des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden wurde. Richter Manfred Götzl wandte sich am Mittwoch unvermittelt an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und stellte ihr Fragen zum Fall Peggy. "Verfügen Sie über Informationen über Peggy Knobloch, die Sie nicht aus den Medien haben?", fragte Götzl und wollte dann auch wissen, ob Zschäpe über die Kinderpornos Bescheid wusste, die auf ihrem Computer gefunden worden waren. "Befanden sich auf der Festplatte Bilder von Kindern und Jugendlichen? Welche Informationen haben Sie gegebenenfalls zu diesen Bildern?" Und als letzte Frage kam: "Wollen Sie dazu Angaben machen?"

Zschäpe will offensichtlich. Und war auf die Fragen vorbereitet. Ihr Anwalt Hermann Borchert sagte, sie werde wie immer schriftlich auf die Fragen antworten. Das kann nach den bisherigen Erfahrungen wieder zwei Wochen dauern.

Die Nebenklagevertreter Seda Basay und Mehmet Daimagüler beantragten, die Ermittlungsakten im Fall des im Jahr 2001 verschwundenen und getöteten Mädchens zum Prozess gegen die Terrorzelle NSU beizuziehen. "Das Auffinden der DNA-Spuren von Uwe Böhnhardt im Mordfall Peggy Knobloch sowie der Umstand, dass kinderpornografisches Material auf dem PC der Angeklagten Beate Zschäpe sichergestellt wurde, legen den Verdacht nahe, dass das Trio seinen Lebensunterhalt auch durch Kinderpornografie finanziert hat beziehungsweise zumindest in dieses Milieu verstrickt war", sagten Basay und Daimagüler.

Sie verweisen auch auf ein maschinengeschriebenes, hasserfülltes Schreiben mit rechtsradikaler Diktion, das die Mutter von Peggy kurz nach deren Verschwinden erhalten hatte. Darin hieß es, sie sei nicht würdig, so ein "arisches Kind" zu haben. Die Mutter von Peggy lebte damals mit einem Türken zusammen und war zum Islam konvertiert. Die Anwälte argumentieren nun, dieses Schreiben könnte womöglich von Uwe Mundlos stammen. Von ihm sei bekannt, dass er aufgrund einer Rechtschreibschwäche immer Schreiben verschickte, die er auf dem Computer erstellt hatte. Beate Zschäpe ließ die Fragen und den Antrag regungslos über sich ergehen.

Die Anwälte verwiesen darauf, dass im Umkreis des NSU auch Tino Brandt tätig war, der wegen Kindesmissbrauchs und Zuhälterei in Haft sitze. Auch andere aus der Szene sollen Bezüge zu Kinderpornografie haben. Die Anwälte halten es für möglich, dass sich der NSU nicht nur durch das Basteln von rassistischen Spielen, Spenden aus der Szene und 15 Banküberfälle finanzierte, sondern auch durch den Vertrieb von Kinderpornografie.

Zschäpe räumt Berlinbesuch ein

Im Prozess ging es, trotz der Erschütterung über die neue DNA-Spur, mit der Zeugenbefragung weiter. Ein früherer Polizist sagte aus, der Zschäpe im Mai 2000 in einem Lokal vor einer Berliner Synagoge erkannt haben will. Er sprach von einer eleganten Frau mit langen schwarzen Haaren, die so gar nicht in das Studentencafé gepasst habe. Am selben Abend habe er die TV-Fahndungssendung "Kripo live" gesehen, in der auch nach dem Trio Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gefahndet wurde. Da habe er Zschäpe als die Frau wiedererkannt, die er am Mittag an der Synagoge gesehen habe. Der Polizist hatte das auch sofort bei der Berliner Polizei zu Protokoll gegeben.

Zschäpe selbst räumte über ihre Anwälte ein, dass sie im Frühjahr oder Sommer 2000 in Berlin war. Sie wollte mit ihren Freunden mal raus aus Chemnitz kommen, wo sie damals lebte. Sie sei am Alexanderplatz, am Brandenburger Tor und im KaDeWe gewesen. Das Kaufhaus habe sie am meisten beeindruckt. "Zu keinem Zeitpunkt habe ich mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Synagoge aufgesucht oder wie es der Vertreter der Nebenklage formuliert ausgespäht", ließ Zschäpe erklären. Anwälte der Nebenklage haben nun beantragt, Zschäpes Begleiterin von damals, eine Frau und zwei Kinder, ausfindig zu machen. Es handele sich um eine fest in der rechten Szene verwurzelte Frau, die mit Bekannten des NSU aus Chemnitz befreundet gewesen sei. Sie soll vor Gericht aussagen.

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SZ vom 27.10.2016/anri
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