Ditib:Unbequem

Der Moscheeverband muss sich entscheiden: Ankara oder Berlin?

Von Matthias Drobinski

Kirisis - das bedeutete für die alten Griechen: Ein Wendepunkt ist erreicht, eine Entscheidung steht an. Wenn der türkisch-islamische Moscheeverband Ditib nun in der Krise steckt, weil offenbar Imame für die türkische Religionsbehörde spioniert haben, dann bedeutet dies: Die Ditib muss sich entscheiden, wohin sie gehen will.

Sie kann sich für die zunehmende Abhängigkeit der Religionsbehörde in Ankara entscheiden. Sie kann sich dafür entscheiden, dass die Imame, die theologischen und auch politischen Direktiven aus Ankara kommen. Dies ist in Deutschland durch die Verfassung gedeckt. Nur: Partner des Bundes und der Länder werden sie dann auf Dauer nicht sein können. Die Ditib kann sich auch für eine stärkere Orientierung auf Deutschland hin entscheiden. Nur wird sie dann die enge Bindung an die Türkei lösen müssen - in einem schmerzhaften und konfliktreichen Prozess.

Entscheidet sich Deutschlands größter Moscheeverband für Ankara, muss die Ditib Gesprächspartnerin von Bund und Ländern bleiben, aber nicht mehr Vertragspartnerin. Entscheidet sich die Ditib für die engere Bindung an Deutschland, wird der Verband Solidarität und Hilfe brauchen, auch finanzielle. Jahrzehntelang hat die Bundesrepublik allzu gern die religiöse Betreuung der Muslime mit türkischen Wurzeln an die Türkei delegiert; das war billig und bequem. Nur: Die Zeit der billigen Bequemlichkeit ist vorbei.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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