Diskussionen um den Schutzschirm:Das "Merkel'sche Gesetz" und die Euro-Rettung

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann nennt es das "Merkel'sche Gesetz": Je vehementer die Kanzlerin etwas ausschließt, desto sicherer ist es, dass es später doch eintritt. Und tatsächlich muss Angela Merkel ihre Position in der Schuldenkrise erneut revidieren. Ihr Euro-Kurs ist dennoch richtig, allerdings hat sie ein Kommunikationsproblem.

Claus Hulverscheidt

Thomas Oppermann, der Fraktionsgeschäftsführer der SPD, gehört zu jenen Politikern, die zu jedem Thema immer gleich einen flotten Spruch parat haben. So auch, als Angela Merkel jetzt zugeben musste, dass der deutsche Haftungsrahmen für den Euro-Schutzschirm erneut ausgeweitet werden soll, diesmal von 211 auf 280 Milliarden Euro. Wieder einmal, so Oppermann, komme das "Merkel'sche Gesetz" zur Anwendung: Je vehementer die Kanzlerin etwas ausschließt, desto sicherer ist, dass es später doch eintritt.

Der Ärger der Genossen erscheint verständlich, denn es ist beileibe nicht das erste Mal, dass Merkel in der Schuldenkrise eine Position revidiert. Im Gegenteil: Die meisten Bundesbürger haben angesichts des Hü und Hott längst den Überblick verloren. Sie registrieren nur noch, dass die Summen, für die sie einstehen sollen, immer astronomischer werden und dass mittlerweile halb Europa auf ihre Kosten zu leben scheint. Wut, Frust und Missverständnisse haben ein Maß erreicht, das geeignet ist, die Demokratie in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Die Hauptschuld daran trägt die Kanzlerin, der es nicht gelingt, mit den Bürgern so zu kommunizieren, wie es die Schwere der Krise von ihr verlangt. Keine Fernsehansprache, keine Rede zur Lage der Nation, stattdessen Gemauschel in Hinterzimmern nebst anschließender Kurskorrektur. Das ist der Boden, auf dem Verschwörungstheorien gedeihen.

Das alles ist umso ärgerlicher, als Merkel inhaltlich gesehen in den letzten zwei Jahren mehr richtig als falsch gemacht hat. Es war richtig, Griechenland zu helfen, einen Hilfstopf einzurichten und denselben aufzustocken. Und es war ebenso richtig, dies alles nur schrittweise und konditioniert zu tun. Hätte die Kanzlerin stattdessen den viel umfassenderen Forderungen der Partnerländer, der Finanzmärkte - und der SPD - nachgegeben, wären heute in Italien und Griechenland keine Reformregierungen am Werk.

Es gäbe auch keinen EU-Fiskalpakt - dafür aber Euro-Bonds und eine Lizenz für die Euro-Länder, ihr Geld selbst zu drucken. Auch im jüngsten Konflikt kann man Merkel allenfalls den Vorwurf machen, dass sie eine noch deutlichere Ausweitung des Schirms verhindert hat. Die von vielen Experten verlangte Erhöhung der Fondsmittel auf 940 Milliarden Euro wäre gerade in einer Zeit, da sich die Dinge ein wenig beruhigt haben, ein starkes Signal gewesen. Auch hätten sich Länder wie die USA nicht länger weigern können, ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen.

Oppermann jedoch nutzt die Kommunikationsmängel und die Komplexität der Dinge vor allem dazu, ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Auch so fördert man Demokratieverdrossenheit - zumal die Erfahrung lehrt, dass es neben dem Merkel'schen ein ganz ähnliches Oppermann'sches Gesetz gibt: Je mehr nämlich der Geschäftsführer zu Beginn einer neuen Euro-Debatte zetert, zickt und zaudert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die SPD-Fraktion Merkels Politik am Ende im Bundestag zustimmt.

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