Außenpolitik hat Vorrang gegenüber wirtschaftlichen Interessen
Außen- und sicherheitspolitische Erwägungen spielen bei der Frage von Rüstungsexporten die zentrale Rolle. Sie stehen vor wirtschaftlichen oder beschäftigungspolitischen Belangen. Das hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bei einer Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) betont.
Die Frage der Rüstungsexporte stehe angesichts einer aus den Fugen geratenen Welt derzeit im "Kreuzfeuer der öffentlichen Debatte" sagte Gabriel in Berlin. Das Thema werde durch moralische, sicherheitspolitische und strategische Ansprüche bestimmt.
Kritik an den Plänen von der Leyens
In die aktuelle Diskussion hinein hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine provokante Vorlage geliefert: Ein Großteil der Rüstungsindustrie sei für Deutschlands Sicherheit entbehrlich, die Regierung sollte künftig nur noch Schlüsseltechnologien im Rüstungsbereich fördern. Damit meint von der Leyen die Verschlüsselungs- und Sensortechnik. Die Rüstungsindustrie betrachtet jedoch traditionell auch den U-Boot-Bau sowie die Herstellung gepanzerter Fahrzeuge und Handfeuerwaffen als deutsche Schlüsseltechnologien. Welche Technologien als Kernfähigkeiten eingestuft werden, entscheidet darüber, ob ihr Erhalt in Deutschland künftig mit staatlicher Hilfe gesichert werden dürfte.
Gabriel kritisierte die Pläne von der Leyens: Bundestag und Bundesregierung würden zu diskutieren haben, ob die "sehr schmale Festlegung" der CDU-Politikerin zu den deutschen Kernfähigkeiten ausreichend sei, sagte Gabriel laut Redetext. Die Definition der nationalen Schlüsseltechnologien werde erhebliche Konsequenzen für die Beschaffungsprogramme der Bundeswehr und eine künftige europäische Kooperation haben, mahnte der SPD-Politiker.
Gabriel sagte aber gleichzeitig, dass er sich bei seiner Grundsatzrede auf Terrain begeben müsse, "das eigentlich nicht in den Aufgabenbereich des Wirtschaftministers fällt", nämlich das "Terrain der Außen- und Sicherheitspolitik". Erst davon ausgehend könne man dann auch über wirtschaftspolitische Belange sprechen.
Ihr Forum:Welches Ministerium muss in Rüstungsfragen das letzte Wort haben?
Deutsche Waffenlieferungen in Krisengebiete bleiben ein umstrittenes Thema. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gibt der Außenpolitik den Vorrang - vor den Interessen seines eigenen Ministeriums und den Plänen von Verteidigungsministerin von der Leyen.
Rüstungsindustrie "kein ganz normales Geschäftsfeld"
Dass sich die Bundesregierung nun gezwungen sehe, Waffen an die kurdischen Peschmerga im Nordirak zu liefern, bezeichnete Gabriel als eine "Folge viel zu vieler Waffenlieferungen in diesen Raum in den vergangenen Jahrzehnten".
Der Wirtschaftsminister betonte, die Rüstungsindustrie sei "kein ganz normales Geschäftsfeld". Hier gälten strenge gesetzliche Regelungen. Diese sollten sicherstellen, dass Genehmigungen von Waffenexporten nicht "heute so und morgen anders ausfallen" sollen. Gabriel betonte, dass die Politik der schwarz-roten Bundesregierung in einer politischen und rechtlichen Kontinuität stehe.
Dass in letzter Zeit trotzdem eine so hitzige Debatte um Rüstungsexporte entbrannt sei, lasse den Verdacht aufkommen, dass Regeln bisher nicht so genau genommen wurden, es hier womöglich sogar eine "stillschweigende Übereinkunft" von Politik und Rüstungsindustrie gegeben habe.
Kampf gegen IS schafft neue Situation
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel war zuletzt unter Druck geraten. Auf der einen Seite gibt es die Forderung, Rüstungsexporte in Staaten mit zweifelhaftem Ruf zu unterbinden. Auf der anderen Seite schafft gerade der Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Nahen Osten eine neue Situation, die Waffenlieferungen auch an unsichere Kandidaten notwendig macht und machen könnte. Zugleich kommen aus der deutschen Rüstungsindustrie Klagen, ein allzu strenges Exportverbot gefährde den ganzen Wirtschaftszweig.