Diskussion um Freilassung der RAF-Häftlinge:Wer hat geschossen?

Es gibt jenseits der Gnade des Rechtsstaates berechtigte, letzte Fragen an Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. Sie können Aufschluss darüber bringen, wer die politischen Morde begangen hat - und den Hinterbliebenen so helfen.

Christoph Schwennicke

Lesen schadet nicht, und des Lesens verdächtigt zu werden ist beileibe keine Schande. Edmund Stoiber hat ganz offensichtlich einen Aufsatz von Frank Schirrmacher gelesen. "Wer war's?" überschrieb der Publizist vergangene Woche seine Gedanken zu der bevorstehenden vorzeitigen Freilassung der RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt und der möglichen Begnadigung Christian Klars durch Bundespräsident Horst Köhler.

RAF-Häftlinge Mohnhaupt Klar Schleyer

Blick auf den Tatort der Schleyer-Entführung am 5. September 1977

(Foto: Foto: dpa)

Der bayerische Ministerpräsident fordert nun von Klar und Co., dass sie vor dem Gnadenerweis des Rechtsstaates beziehungsweise des Staatsoberhauptes endlich Antworten auf bis heute unbeantwortete Fragen preisgeben: Wer hat wen erschossen? Wer hat abgedrückt bei Jürgen Ponto, Hanns Martin Schleyer, Gerold von Braunmühl und Heinz Hillegaart?

Ist es kleinkariert, diese Frage zu stellen? Nein, das ist es nicht. Es wird in der Debatte um die baldige Freiheit der letzten inhaftierten RAF-Terroristen im Erinnerungsjahr des Deutschen Herbstes 1977 bisher im Gegenteil viel zu schnell dekretiert, dass der Staat Gnade walten lassen müsse.

Es werden demgegenüber zu wenige kritische Fragen an diejenigen gerichtet, die tatsächlich oder vermutlich in den Genuss der Gnade eines Staates kommen, den sie einst als "Schweinesystem" bekämpft haben.

Sinnlos und besinnungslos gemordet

Zu den vielen erschreckenden Facetten des RAF-Terrors gehört, dass sich überdurchschnittlich intelligente Menschen in einen unterdurchschnittlich blöden Staatshass geredet haben. Ihr politischer Fanatismus steigerte sich bis zum Mord.

Es ist im Namen der RAF sinnlos und besinnungslos gemordet worden, 34 Mal. Und es ist dabei in vielen Fällen anonym gemordet worden, weil etwa das einstige Killerkommando Klar/Mohnhaupt bis heute nicht preisgibt, wer von beiden bei gemeinsam verübten Attentaten auf das oder die Opfer geschossen hat.

Die Schilderungen der Taten sind erschütternd brutal und barbarisch. Umso unangenehmer fällt auf, dass sich die Täter 30 Jahre später noch immer halsstarrig geben und unfähig sind, Abbitte zu leisten.

Kein Akt der billigen Demütigung

Nochmal: Es ist, allen kollektiven Bekennerschreiben zum Trotz, in vielen Fällen anonym gemordet worden. Aber es ist nicht anonym gestorben worden. Es werden in den kommenden Wochen und Monaten die einschlägigen zehn Jahre der Bundesrepublik abermals vermessen.

Wenn nun die Erinnerung anläuft an den 40. Todestag des Studenten Benno Ohnesorg (2. Juni 1967) und 30 Jahre Deutscher Herbst, dann sollten die Einzigen, die es können, Licht ins letzte Dunkel bringen.

Das sind zuvorderst Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar. Dies zu erbitten oder zu fordern ist kein Akt der billigen Demütigung. Die Frage sollte deshalb auch nicht explizit, wie Stoiber es getan hat, an die Gnade gekoppelt werden. Es geht nicht um einen nachgeholten Kronzeugenrabatt. Klare Antworten auf die finalen Fragen sind aber das gute Recht der Öffentlichkeit. Der betroffenen Familien noch viel mehr.

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