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Diskussion um Fiskalpakt im Bundestag:Opposition macht Druck für Transaktionssteuer

SPD und Grünen wollen dem europäischen Fiskalpakt nur zustimmen, wenn sie an eine Finanztransaktionssteuer geknüpft wird. Für eine solche Besteuerung plädiert die Union eigentlich auch. Und trotzdem hagelt es im Bundestag Kritik an der Opposition.

Es steht viel auf dem Spiel. Zumindest wenn man den Worten von Norbert Barthle glauben kann. Der haushaltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion stand an diesem Donnerstag im Bundestag am Rednerpult und hob eine Euro-Münze in die Höhe. Er sprach von "unserer Währung", davon, dass es in der aktuellen Debatte um "unsere Verantwortung" gehe. Den europäischen Fiskalpakt bezeichnete er als einen "Pakt für Stabilität und Solidarität".

Doch die Gegner einer solchen Vereinbarung konnte Barthle damit nicht überzeugen. SPD und Grüne wollen nicht locker lassen. Das wird beim Auftakt der Beratungen über den Fiskalpakt und den dauerhaften europäischen Rettungsschirm ESM im Plenum deutlich. Die Opposition knüpft ihre Zustimmung zu beiden Projekten weiter an eine Besteuerung der Finanzmärkte.

"Wir werden uns nicht noch einmal abspeisen lassen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Sollte eine gemeinsame Finanztransaktionssteuer in Europa und der Euro-Zone zunächst scheitern, gebe es auch andere Wege, um politisch Ziele durchzusetzen, erklärte er. "Weiter kommen wir nur, wenn die Regierung ihre Selbstblockade aufgibt." Gleiches forderte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin. Eine Börsenumsatzsteuer nach britischem Vorbild, wie sie die FDP favorisiert, lehnen SPD und Grüne als "Witz" ab.

"Baustein zur Überwindung der Vertrauenskrise"

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht jedoch keine besonders großen Chancen, dass sich Deutschland mit einer Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer in Europa durchsetzen könne. Dennoch würde die Bundesregierung dafür kämpfen. Schäuble warnte die Opposition vor einer Blockade: "Es gibt keinen Grund, daran die Stabilisierung unser gemeinsamen Währung scheitern zu lassen."

Bisher ziehen alle EU-Staaten außer Großbritannien und Tschechien mit. Nach dem Willen von Union und FDP sollen die Gesetzentwürfe zu Fiskalpakt und Rettungsschirm ESM zusammen vor der Sommerpause verabschiedet werden. SPD und Grüne dringen beim Fiskalpakt auf eine spätere gesonderte Abstimmung. Schwarz-Gelb ist auf die Stimmen der Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig ist.

Der dauerhafte ESM-Hilfsfonds startet im Juli. Er soll Notkredite von bis zu 500 Milliarden Euro vergeben können. Nach internationalem Druck ist Deutschland bereit, die Rettungshilfen zeitweise auf bis zu 750 Milliarden Euro auszuweiten. Dazu sollen nach einem Vorschlag Deutschlands der ESM und verplante Hilfen des Vorgängers EFSF eine Zeit lang parallel bestehen. Mit dem höheren Schutzwall dürfte aber auch die Haftung der Bundesrepublik steigen. Die Details wollen die Euro-Finanzminister an diesem Freitag in Kopenhagen beraten.

Schäuble verteidigte eine zeitweise Ausweitung des Rettungsschirms als überzeugende Lösung. Forderungen nach höheren Schutzwällen wies er zurück. Es gehe um eine glaubwürdige und in sich schlüssige Politik. Mit den Entscheidungen könne die Verunsicherung an den Finanzmärkten dauerhaft beseitigt werden. Mit Fiskalpakt und ESM werde ein "weiterer wichtiger Baustein zur Überwindung der Vertrauenskrise" und einen stabilen Euro geschaffen.

Merkels "Wanderdüne"

Steinmeier und Trittin hingegen warfen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, mit immer neuen Kurskorrekturen die Bürger zu täuschen. "Aus Ihren roten Linien sind doch in Wahrheit Wanderdünen geworden im Verlaufe der Diskussionen", sagte Steinmeier. Die Bundesregierung müsse klar sagen, was auf Deutschland zukomme, forderte Trittin. Beide betonten, mit einem Fiskalpakt allein komme Europa nicht aus der Krise. Nötig seien auch Wachstumsprogramme.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi verwies darauf, dass Deutschland den Fiskalpakt nicht mehr kündigen könne. Die Linke sieht das als Verfassungsbruch. Die Budgethoheit der Parlamente werde deutlich eingeschränkt: "Mit diesem Vertrag beginnen Sie die Gründung einer Europäischen Föderation, der Vereinigten Staaten von Europa, und zwar über eine Fiskalunion." Dies aber lasse das Grundgesetz nicht zu.

Zu hohen neue Schulden sind künftig verboten

Mit dem Fiskalpakt will sich Europa strengere Regeln zur Haushaltsdisziplin geben. Er sieht unter anderem verbindliche Schuldenbremsen in allen Teilnehmerstaaten vor. Wer die schon länger geltenden europäischen Defizitregeln bricht, erhält automatisch Sanktionen. Neben der Neuverschuldung befasst sich der Fiskalpakt auch mit dem gesamtstaatlichen Defizit, also dem Schuldenberg eines jeden Landes. Dazu gilt bereits seit den 1990er-Jahren die oftmals gebrochene Vorschrift, dass das Defizit 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen darf.

Die Ratifizierung des Fiskalpakts ist die Voraussetzung dafür, um im Notfall Geld aus dem ESM zu bekommen. In Kraft treten soll der Vertrag am 1. Januar 2013. Dazu muss in mindestens zwölf Staaten die Ratifizierung abgeschlossen sein. Sollte dies schon früher der Fall sein, tritt der Vertrag auch früher in Kraft.

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