Diskussion um Fall Drygalla:Innenministerium erwägt "Demokratiebekenntnis" für Sportler

Sollen Spitzensportler sich zu einer demokratischen Gesinnung bekennen müssen? Der Vorschlag des Bundesinnenministeriums stößt parteiübergreifend auf Kritik. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Caffier spricht von "Gesinnungsschnüffelei".

Den Vorschlag des Bundesinnenministeriums, die finanzielle Förderung von Spitzensportlern an ein "Demokratiebekenntnis" zu knüpfen, lehnt Mecklenburg-Vorpommerns Innen- und Sportminister Lorenz Caffier (CDU) ab. Er würde keiner solchen Regelung zustimmen, die in ein "System der Gesinnungsschnüffelei" zurückführe.

Statt eines "Demokratiebekenntnisses" für Spitzensportler fordert Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) klare Regeln für Olympia-Nominierungen. Außerdem kritisierte Sellering den Umgang mit der Ruderin Nadja Drygalla, die das Olypmische Dorf in London verlassen hatte, nachdem ihre Beziehung zu einem früheren NPD-Direktkandidaten bekanntgeworden war.

Nicht unter die Bettdecke der Bürger gucken

Die Überlegungen des Bundesinnenministeriums, nur demokratisch gesinnte Sportler zu fördern, hätten nichts mit dem Fall Drygalla zu tun, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Diese Pläne gebe es im Ministerium bereits seit Ende 2011. Die Sportverbände sollten ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung von ihren Spitzensportlern verlangen.

Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy kritisierte solche Pläne heute in einem Interview im Deutschlandfunk: "Ich möchte nicht in einer Republik leben, in der wir anfangen, unter die Bettdecke unserer Bürger zu gucken." Verteidigungsminister Thomas de Maizière äußerte sich ähnlich: "Steht es uns als Öffentlichkeit eigentlich wirklich zu, den Freundeskreis von Sportlerinnen und Sportlern zu screenen"?

Kleine Sportvereine besonders gefährdet

Dass besonders kleine Sportvereine auf dem Land leicht unter den Einfluss von Neonazis geraten können, bestätigt der Sportsoziologe Gunter A. Pilz. Besonders weil oft ehrenamtliche Helfer fehlen, schaue anfänglich niemand auf die politische Gesinnung eines freiwillig Engagierten.

Initiiert vom Bundesinnenministerium gibt es seit 2011 ein Programm gegen Extremismus im Sport. Unter dem Motto "Verein(t) gegen Rechtsextremismus" haben sich führende Sportverbände zusammengeschlossen und wehren sich gegen den Einfluss von Rechtsradikalen in Sportvereinen.

Drygalla will weiterrudern

Drygalla will derweil ihre Karriere auch nach dem Eklat in London fortsetzen. Ihr Anwalt Rainer Cherkeh kündigte an, dass Drygalla Gespräche mit dem Deutschen Ruderverband führen wolle. Ihr Ziel sei die Aufnahme in eine Sportfördergruppe. Im Herbst 2011 war sie aus dem Polizeidienst und damit aus der Sportförderung ausgeschieden.

Verteidigungsminister de Maizière hatte am Montag in London erklärt, wenn es von Drygalla einen Antrag auf Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr gäbe, würde man ihn prüfen, "aber in Ruhe und nicht in der Atmosphäre der letzten Tage". Ein solcher Antrag lag bereits vor, wurde aber am 2. August vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zurückgezogen.

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