Süddeutsche Zeitung

Diskussion um Drohnen:Unbemannte Flugkörper im Wahlkampf

Ein verführerisches Thema für Wahlkämpfer: Drohnen. Allein das Wort löst allgemeine Aufgeregtheit aus. Doch die Vorwürfe der Opposition, der Verteidigungsminister plane heimlich den Kauf, sind nicht nur albern, sondern heuchlerisch.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann

Es gibt derzeit kaum ein Wort, das so verlässlich die Reflexe von Ostermarschierern, aber auch weniger friedensbewegten Menschen auslöst wie das Wort Drohne. Die allgemeine Aufgeregtheit setzt sich zusammen aus der (berechtigten) Abneigung gegen Krieg und militärische Gewalt, der (verständlichen) Angst vor einer Automatisierung des Tötens und der (verqueren) romantisierenden Idee, Töten im Krieg sei moralisch höherwertig, wenn der Tötende sich dabei selbst in Gefahr begibt, gleichsam Auge in Auge. Mittlerweile hat die Debatte mancherorts ein Vorstadium zur Hysterie erreicht.

Die Opposition hat dazu einen guten Teil beigetragen; dieser Tage schwadroniert sie von einem "Täuschungsmanöver" des Verteidigungsministers, der ein "vordemokratisches" Verhalten an den Tag lege. Warum? Weil die USA signalisiert haben, demnächst eine deutsche Voranfrage zum Kauf amerikanischer Drohnen positiv bescheiden zu wollen. Übersetzt heißt das: Wenn sich die Deutschen erstens entschließen, Kampfdrohnen anzuschaffen, und sich zweitens für das US-Modell entscheiden, dann wäre es im Grundsatz möglich, dieses Modell zu erwerben. Mehr ist nicht passiert, und viel mehr wird bis zur Bundestagswahl auch nicht passieren - jedenfalls nichts, was die nächste Regierung und den nächsten Bundestag binden würde.

Das Thema Drohnen ist für jeden Wahlkämpfer verführerisch. Das gilt erst recht für Wahlkämpfer in demoskopischen Nöten, weshalb die rot-grünen Empörungsbemühungen zu einem gewissen Teil verständlich sind. Wenn die Opposition dem Minister nun allerdings vorwirft, er habe zwar offiziell die Entscheidung auf die Zeit nach der Wahl verschoben, bahne aber trotzdem heimlich den Kauf an, ist das nicht nur albern, sondern heuchlerisch.

Jedem dieser höchst entrüsteten Kritiker ist klar, dass man, um eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können, wissen muss, ob man das (möglicherweise) gewünschte Gerät überhaupt bekommen würde. Dafür muss man eine Voranfrage stellen. Täte man es nicht, verhielte man sich in etwa so fahrlässig wie ein potenzieller Hauskäufer, der sich weder über Grundstückspreise noch über Zinssätze informiert, aber überall verkündet, er könne sich das gut vorstellen mit dem Eigenheim. Im Übrigen ist die Voranfrage vor mehr als einem Jahr herausgegangen, also zu einer Zeit, in der von einer Vertagung der Entscheidung noch nicht die Rede war.

Eine der Lieblingsforderungen der Opposition lautet zudem, man müsse über das Thema Kampfdrohnen nun endlich mal eine Debatte führen. Diese Debatte ist längst im Gang, und man kann Thomas de Maizière nun wirklich nicht vorwerfen, dass er ihr aus dem Weg gehen würde - erst neulich hat er sich mit Drohnengegnern auf ein Podium gesetzt. So schwer diese Erkenntnis im Wahlkampf fallen mag: Abgesehen davon, dass er anderer Meinung ist, kann die Opposition dem Minister beim Thema Drohnen gerade nicht allzu viel vorwerfen. Aber es gibt ja zum Glück noch andere Wahlkampfthemen.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2013/kjan
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