Diskussion über Rentenpläne:Merkel distanziert sich von Zuschussrente

Scharfe Kritik an den Zuschussrenten-Plänen von Ursula von der Leyen kommt auch aus den eigenen Reihen: Merkel distanziert sich von ihrem Konzept, Fraktionschef Kauder fordert eine parteiinterne Diskussion darüber. Die Arbeitsministerin verteidigt ihr Vorhaben hingegen vehement.

Peter Blechschmidt, Gudio Bohsem und Nico Fried, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Unions-Fraktionschef Volker Kauder haben die Pläne von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für die Einführung einer Zusatzrente für Geringverdiener vorerst ausgebremst. "Ich glaube, darüber sollten wir noch einmal eine intensive Diskussion in unserer Fraktion führen", sagte Kauder vor der Klausursitzung des Fraktionsvorstandes. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies darauf, dass Merkel bereits am Montag in einer Rede vor der CDU-Seniorenunion betont habe: "Wir stehen vor einer langen Debatte in der Union."

Zeitung: Merkel aeussert Zweifel an Zuschussrente

Angela Merkel (CDU) zweifelt am Konzept der Zuschussrente ihrer Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

(Foto: dapd)

Von der Leyen hatte in den vergangenen Tagen wiederholt davor gewarnt, dass ohne zusätzliche private Vorsorge Arbeitnehmern mit weniger als 2500 Euro brutto im Monat im Jahr 2030 eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung von 688 Euro drohe. Mit der Zuschussrente will sie Minirenten auf bis zu 850 Euro aufstocken. Bedingung dafür ist allerdings, dass die Arbeitnehmer 30 Jahre lang Rentenbeiträge bezahlt und private Vorsorge betrieben haben. Diese sei bereits mit Riester-Verträgen ab einem Eigenbeitrag von fünf Euro im Monat möglich, so die Ministerin.

Bereits am Dienstagabend spielte das Thema Zuschussrente in einer Sitzung der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der Unions-Fraktion eine Rolle. Merkel und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla nahmen an der Sitzung teil. Nicht wenige Abgeordnete hatten zuvor den Eindruck gewonnen, dass Ministerin von der Leyen mit ihren Berechnungen der Renten von Durchschnittsverdienern am Wochenende gut die Hälfte der Bevölkerung in helle Aufregung versetzt habe und zwar alleine, um ihre politischen Ziele durchsetzen zu können. Denn als Botschaft sei angekommen, wer auf die Rentenversicherung vertraue, der sei verlassen und werde seinen Ruhestand in der Sozialhilfe fristen.

Darüber, wie sich Pofalla und Merkel zu dem Thema einließen, gibt es unterschiedliche Darstellungen. Einige Abgeordnete verstanden die Äußerungen eindeutig so, dass die Zusatzrente beerdigt sei. Dass Merkel oder Pofalla aber eindeutig gesagt hätten, die Zuschussrente komme nicht, wurde in deren Umfeld dementiert.

Am Mittwoch berichtete dann Bild.de im Laufe des Tages, Merkel habe beim routinemäßigen Treffen der Unions-Minister vor der Kabinettssitzung gesagt, dass sie die Pläne anders als früher skeptisch sehe. "Bis zum Wochenende habe ich noch gedacht, das ist eine gute Sache. Aber je besser ich die Zahlen kenne, desto stärker wachsen meine Zweifel", wurde Merkel unter Berufung auf Teilnehmer zitiert.

Von der Leyen wirbt für schnelle Einführung

Von der Leyen hatte am Mittwochmorgen erneut in zwei Interviews mit Vehemenz für die schnelle Einführung einer Zusatzrente geworben. "Mit jedem Jahr, das wir jetzt verschlafen, wird das Problem größer", sagte die CDU-Politikerin im ZDF. Sie gehe fest davon aus, dass die Zusatzrente komme, bekräftigte sie. Der Frage, ob sie zurücktrete, wenn das Projekt nicht umgesetzt werde, wich sie aus. "Ich habe großes Vertrauen in die Union und diese Regierung, dass sie beim Thema Altersarmut nicht den Kopf in den Sand steckt."

Am Mittwochmittag traf von der Leyen mit Vertretern der Jungen Gruppe in der Union zusammen, deren Kritik die Debatte mitausgelöst hatte. Anschließend sprach sie sich dafür aus, rasch Klarheit zu schaffen: "Ich erwarte, dass wir bis Ende Oktober eine Antwort gefunden haben auf diese wichtige Frage". Die jungen Abgeordneten sollen in dem Gespräch dem Vernehmen nach für mehr Zeit und eine umfassende Lösung geworben haben.

In der Klausursitzung des Fraktionsvorstandes am späteren Nachmittag, so berichteten Teilnehmer, hätten Merkel, Kauder und die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Gerda Hasselfeldt ihr Bedauern über die Debatte vom Wochenende und die damit verbundene Verunsicherung der Bevölkerung geäußert.

Die FDP bleibt bei ihrer strikten Ablehnung der Zuschussrente. Das machte der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle deutlich. Zum Auftakt der dreitägigen Fraktionsklausur in Mainz sagte Brüderle, von der Leyens Idee verletze den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit und würde zu staatlichen Mehrausgaben von 3,5 Milliarden Euro führen. "Ein bisschen mehr Prinzipientreue ist auch in dieser Frage angebracht", sagte Brüderle.

Wenn es nach ihm geht, dann soll die Klausurtagung der Fraktion strikt zur sachpolitischen Debatte genutzt werden. Nichts käme ihm und der gesamten FDP-Führung ungelegener, als Personalspekulationen. Allerdings hat Parteichef Philipp Rösler mit seiner von vielen als übertrieben empfunden Distanzierung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihrem Vorstoß zum Ankaufverbot von Steuer-CDs zu Wochenbeginn gerade wieder eine Personaldiskussion ausgelöst.

Am Mittwoch ruderte Rösler im Interview mit der Stuttgarter Zeitung zurück und meinte, die Ministerin habe Recht, wenn sie alle vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Daten-Hehlerei prüfen wolle. Ob er damit die Innen- und Rechtspolitiker der Fraktion, die über das Abwatschen der Ministerin ziemlich erbost waren, besänftigt hat, muss sich zeigen.

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