Sie werden beschimpft und bedroht, nicht selten schlägt die Feindlichkeit um in offene Gewalt. Immer mehr Angehörige der Roma werden Opfer von rassistischen Überfällen - mitten in Europa. Noch schlimmer: In vielen Fällen können diese Opfer nicht einmal mit Hilfe rechnen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International dokumentiert in einem heute veröffentlichten Bericht ( hier als PDF) am Beispiel der EU-Länder Griechenland, Tschechien und Frankreich, dass die Polizei bei gewalttätigen Angriffen auf Roma vielfach nicht eingreift und gegen die Täter nicht ernsthaft ermittelt. Mutmaßliche rassistische Motive würden häufig nicht untersucht und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen.
Als Beispiel nennt der Bericht die von rechten Gruppen organisierten Protestmärsche gegen Roma im Sommer 2013 in Tschechien, die teilweise in gewalttätigen Ausschreitungen endeten. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Griechenland, sollen auch Polizisten mit exzessiver und rassistischer Gewalt gegen Roma vorgegangen sein.
"Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen endlich gegen die zunehmenden rassistischen Angriffe auf Angehörige der Roma vorgehen", fordert Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, anlässlich des Internationalen Roma-Tages am 8. April. "Es ist völlig inakzeptabel, dass an manchen Orten in Europa Roma in ständiger Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen oder Anschlägen leben müssen."
Gewalttäter würden von der passiven Haltung der Regierungen ermutigt, die eine systematische Diskriminierung von Roma stillschweigend hinnehmen, sagt Çalışkan. "Statt entschlossen der Gewalt und Diskriminierung entgegenzutreten, schüren viele europäische Politiker sogar den Glauben, Roma seien für ihre Ausgrenzung selbst verantwortlich." Solche Äußerungen von Politikern feuerten Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft nur noch weiter an.
"Das Wahlergebnis in Ungarn ist ein Alarmzeichen für Europa"
Am Sonntag erst konnte in Ungarn die Jobbik-Partei, die massive Hetze gegen Roma betreibt und sich offen antisemitisch gibt, mit fast 21 Prozent ins Parlament einziehen. "Das Wahlergebnis ist ein Alarmzeichen für Europa", sagte Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.
Amnesty fordert auch die EU-Kommission zum Handeln auf. Die Antirassismus-Richtlinie der EU verpflichtet die Staaten gegen rassistische Gewalt vorzugehen. "Die EU-Kommission muss die Umsetzung der Antirassimus-Richtlinie endlich stärker überwachen und in letzter Konsequenz Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten einleiten, die sie nicht oder nur halbherzig umsetzen. Das EU-Recht konsequent anzuwenden, wäre ein entscheidender Schritt, um gegen die systematische Diskriminierung von Roma in Europa vorzugehen", so Çalışkan.
Christoph Strässer (SPD), der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, ruft dazu auf, der "systematischen Ausgrenzung der Roma" in vielen Gesellschaften Europas entschlossener entgegenzutreten. Der AI-Bericht zeige, "dass die Lage der Sinti und Roma in vielen europäischen Ländern auch heute noch Anlass zu großer Sorge gibt", sagte Strässer.
Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth mahnte konkrete Verbesserungen für die Roma an. "Leider müssen wir feststellen, dass auch Deutschland seine Hausaufgaben zur Teilhabe der Sinti und Roma längst noch nicht gemacht hat", sagte die Grünen-Politikerin. Nötig seien konkrete Schritte für mehr Teilhabe und Gleichberechtigung. "Und zwar sowohl von denen, die schon immerzu hier leben, als auch von den neu zu uns kommenden", betonte Roth. "Nur so könnte auch die Bundesregierung ein klares Zeichen gegen antiziganistische Stimmungen auch in den eigenen Reihen setzen."
Der Tag der Roma erinnert an den internationalen Roma-Kongress in London am 8. April 1971. Dort wurde die Romani Union als erste weltweite Organisation der Volksgruppe gegründet. Bereits in den vergangenen Jahren hat Amnesty dokumentiert, dass viele der zehn bis zwölf Millionen in Europa lebenden Roma systematisch diskriminiert werden, etwa beim Zugang zu schulischer Bildung oder in ihrem Recht auf angemessenes Wohnen.