Dirk Niebel: Bilanz:"Nicht so schlimm wie erwartet"

Nach einem Jahr schwarz-gelber Koalition präsentiert Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel eine durchwachsene Bilanz. Tenor: Wenn Deutschland hilft, muss die Wirtschaft auch etwas davon haben.

Judith Raupp

Die Sache mit der Militärmütze und der verspiegelten Sonnenbrille fand Dirk Niebel ziemlich lustig. "Schreiben Sie ruhig, Niebel militarisiert die Entwicklungshilfe", frotzelte er und grinste die Journalisten an, die ihn auf seiner ersten Afrikareise im Januar begleiteten.

Natürlich wusste der Profi um die Wirkung seines Auftritts, als er die ruandischen Minenarbeiter und die kongolesischen Flüchtlinge besuchte. Ruanda und Kongo haben reichlich schlechte Erfahrungen mit Soldaten, Söldnern und Rebellen gemacht. Niebels olivgrüne Militärmütze war daher fast allen peinlich - außer dem Entwicklungsminister.

Niebel, 47, kann sich über Aufmerksamkeit jeder Art freuen wie ein kleiner Junge. "Lieber schlechte Presse, und der Name ist richtig geschrieben, als gar keine Presse", pflegt der Liebhaber des Rugbysports zu sagen. Es dauerte auch nicht lange, bis er seine schlechte Presse bekam, nachdem er Ende Oktober 2009 das Entwicklungsministerium übernommen hatte.

Er versetzte die Helfer in helle Aufruhr, weil er sie zwang, in Afghanistan mit der Bundeswehr zu kooperieren, wenn sie Geld aus seinem Etat beanspruchen. Die Helfer fühlen sich nun genötigt. Sie brauchen das Geld des Ministers. Aber sie wollen sich nicht als Instrument deutscher Sicherheitspolitik missbraucht wissen. In der aufgeheizten Stimmung in Afghanistan müssen sie neutral bleiben, um arbeiten zu können - und um ihr Leben zu schützen.

Auch Niebels Nähe zur Wirtschaft passt vielen nicht. Es sei willkommen, wenn Firmen mithelfen, arme Länder aufzubauen, sagt der Chef eines Hilfsverbandes: "Aber wenn sich der Entwicklungsminister im Kabinett aufführt wie der Vertreter des deutschen Mittelstandes, dann wird das ein Problem."

Der ehemalige Generalsekretär der FDP will sich nicht einmal vor ausländischen Automarken fotografieren lassen. Für Niebel ist Entwicklungspolitik eine Abwägung von Kosten und Nutzen, nicht so sehr eine Verpflichtung. Helfen ja, aber Deutschland muss etwas davon haben.

Niebel hegt eine tiefe Abneigung für Budgets, die von mehreren Geldgebern gespeist werden. Er zahlt nicht gern in Töpfe ein, über deren Verwendung andere Länder mitbestimmen. So wollte er auch den Beitrag für den Internationalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria kürzen - bis Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Machtwort sprach. Schon fangen andere Industriestaaten an zu murren, weil Deutschland seine internationalen Verpflichtungen nicht einhalte. Nun will Niebel neue Quellen für seinen Etat finden.

Eines aber gestehen selbst härteste Kritiker dem Minister zu. Der Vater von drei Söhnen hört zu, lernt schnell. Keiner behauptet mehr, der studierte Verwaltungsfachmann verstehe nichts von Entwicklungspolitik. So hat er die Fusion der zersplitterten staatlichen Hilfsorganisationen in Deutschland beschleunigt. Wenn die Zusammenlegung bis Januar organisiert ist, wäre das ein großer Erfolg.

"Es kam nicht so schlimm wie erwartet", bilanziert ein Helfer das erste Niebel-Jahr. Die Erwartungen waren allerdings relativ bescheiden. Immerhin wollte Niebel dereinst das Entwicklungsministerium abschaffen.

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