Direktor der Stasiakten-Behörde:"Ein grober politischer Fehler"

Hans Altendorf, Direktor der Stasiakten-Behörde, war Mitglied im Sozialistischen Hochschulbund - und räumt ein, die DDR als Student verklärt zu haben.

Constanze von Bullion

Hans Altendorf, 61, ist Direktor der Stasiakten-Behörde. Im Jahr 2001 warf man ihm vor, er sei bei der Aufarbeitung des Kommunismus befangen, weil er im Sozialistischen Hochschulbund (SHB) war, der von 1971 an mit dem Marxistischen Studentenbund Spartakus kooperierte. Behörden-Chefin Marianne Birthler sagte dazu am Montag: "Es gibt für mich keinen Grund, dem Behördendirektor mein Vertrauen zu entziehen."

SZ: Herr Altendorf, wie lange waren Sie im SHB aktiv?

Hans Altendorf: Ich bin 1969 in die SPD und den damals noch Sozialdemokratischen Hochschulbund, SHB, eingetreten, ein förmliches Austrittsdatum gibt es nicht. Ich habe meine Aktivitäten nach 1972/73 ausklingen lassen, war nicht mehr in herausgehobener Weise tätig. Die Formulierung, ich sei ausgestiegen, als der SHB sich der DDR zuwandte, stammt nicht von mir. Über die Beurteilung realsozialistischer Staaten wurde sehr gestritten.

SZ: Sah die Studentenbewegung die DDR nicht generell zu rosig?

Altendorf: Sicher. Und ich räume auch selbstkritisch ein, und zwar nicht erst seit ich in der Behörde bin, dass unsere Reflexion der DDR und des kommunistischen Machtbereichs zu wünschen übrigließ. Ich bedaure heute, dass ich damals nicht ebenso kritisch Richtung Osten geschaut habe wie Richtung Westen, auf den Militärputsch in Chile etwa.

SZ: Warum kommt dieses Eingeständnis so spät? Bei Amtsträgern mit Stasi-Akte fordern Sie auch Ehrlichkeit.

Altendorf: Stasi-IM und Studentenbewegung lassen sich nicht gleichsetzen. Aber ich biete zunächst dem Beirat unserer Behörde hierzu Gespräche an. Es gab dort ja bereits 2001 ein Gespräch.

SZ: Warum waren Sie nicht offener?

Altendorf: Vielleicht habe ich das Interesse an meinen studentischen Aktivitäten nicht so hoch eingeschätzt. Es spielte vorher in meinem Beruf keine Rolle.

SZ: Wie sehen Sie Ihre Aktivitäten im Weltfriedensrat heute?

Altendorf: Ich halte das für einen groben politischen Fehler und Irrtum. Das war eine Organisation, die friedensbewegte Menschen im Westen ansprach, gerade solche, die nicht Moskau-nah waren, etwa Pastor Niemöller. Damit wurde eine politische Breite suggeriert, die real nicht vorhanden war. Ich wünschte, ich wäre da früher ausgestiegen. Es gab missbräuchliche Eingemeindungen, und im Ergebnis ging es nicht um pluralistische Diskussionen und den Frieden, sondern um die Zuordung zur Linie Moskaus.

SZ: Beschädigt Ihre politische Vergangenheit Sie in Ihrem Amt?

Altendorf: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Diese Erkenntnisse, die in mir gereift sind, lange vor der Wende, haben meinen Blick auf Unrecht und Diktaturen in der östlichen und in der westlichen Hemisphäre geschärft.

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