Direkte Demokratie:Petition per Mausklick

Bei bundestag.de herrscht Andrang: Immer mehr Bürger reichen Beschwerden via Internet ein. Der Petitionsausschuss gewinnt an Einfluss.

Robert Roßmann

"Das sind ganz, ganz tolle Neuerungen", schwärmt Kersten Naumann. "Wir verbessern damit die Demokratie." Kersten Naumann, das ist die Vorsitzende des Petitionsausschusses im Bundestag. Und die Neuerungen, die sie so begeistern, heißen Internet-Petition und "öffentliche Petition".

Mit den beiden Instrumenten sei das uralte Recht im Internet-Zeitalter angekommen, findet die Linkspartei-Politikerin. "Ich freue mich deshalb, dass der Probelauf jetzt bis September 2007 verlängert wurde."

Bis September 2005 konnten Bürger Petitionen nur schriftlich und per Post einreichen - vielen war das zu aufwendig. Vor allem Jüngere fanden das Verfahren kompliziert.

Beschweren leicht gemacht

Der Bundestag besorgte sich deshalb letzten Herbst in Edinburgh eine Software, mit der das schottische Parlament sein Petitionsverfahren erfolgreich modernisiert hatte.

Seitdem können auch Deutsche per Mail Beschwerden an den Bundestag schicken. Sie müssen nur noch das Formular auf der Internetseite des Parlaments (www.bundestag.de) aufrufen, Adresse und Beschwerde eingeben, und auf "Abschicken" drücken - das war's.

Ein dreiviertel Jahr läuft der Versuch jetzt, und schon zehn Prozent aller Petitionen kommen über das Netz. "Unseren Erfahrungen zufolge sind diese Beschwerden nicht weniger vernünftig als die schriftlich vorgebrachten", sagt Naumann.

Die Macht des Petitionsausschuss

Insgesamt erreichten den Bundestag im vergangenen Jahr 22.143 Petitionen, eine Menge Arbeit für die 25 Ausschuss-Mitglieder. Vierzig Prozent der Beschwerdeführer konnten sie helfen - entweder mit Ratschlägen im Vorfeld, oder durch ein offizielles Votum.

Dabei hilft dem Petitionsausschuss seine starke Stellung im Grundgesetz. Seit einer Aufwertung 1975 haben die Mitglieder fast so viele Rechte wie ein Untersuchungsausschuss.

Damit die Bürger diese auch nutzen, tingeln die Abgeordneten sogar durchs Land. Die nächste "Bürgersprechstunde" des Petitionsausschusses findet auf dem "Dortmunder Herbst" statt, einer westfälischen Verbraucher-Ausstellung.

Petition per Mausklick

Viel mehr Menschen erreicht der Ausschuss aber über seine zweite Erfindung, die "öffentliche Petition". Damit können Bürger ihre Beschwerden jetzt über eine Internet-Maske des Bundestages für jeden zugänglich ins Netz stellen. Zu jeder einzelnen Petition richtet das Parlament ein offenes Diskussionsforum ein.

Außerdem können sich die Surfer den Petitionen per Mail als Mitunterzeichner anschließen, oder dem Beschwerdeführer mittels "virtueller Postkarte" direkt Hinweise zukommen lassen.

Gut 160 derartige Petitionen sind bereits eingegangen, mehr als 180.000 Bürger haben sie online mitunterzeichnet. So groß ist der Andrang, dass der für die Pflege der Seiten zuständige Bundestagsmitarbeiter längst an den Grenzen seiner Belastung angelangt ist.

Wenn's ums Geld geht steigt der Eifer

Wer sich durch die Internet-Seiten klickt, ist über das hohe Niveau der Debatten erstaunt. Man muss lange suchen, um etwas Ungewöhnliches zu entdecken.

Da will eine Christina Kremer die Einfuhr von Stopfleber verbieten lassen. Ein Klaus Hessenauer fordert den Bundestag auf, eine Resolution zur Einhaltung der Menschenrechte in Nepal zu beschließen. Die Petition hat 98 Mitunterzeichner gefunden.

Erfolgreicher ist Rolf Rasmussen: Sein Plädoyer zur Abschaffung der Hundesteuer haben bereits 15.500 Surfer unterschrieben. Wer mehr als 50.000 Bürger hinter sich bringt, darf sein Anliegen sogar persönlich im Petitionsausschuss vorbringen.

Der Großteil der 160 öffentlichen Petitionen befasst sich mit Angelegenheiten des Versicherungs- und des Steuerrechts, also mit Fragen des Geldes. Das war schon beim alten Cäsar so.

Der römische Kaiser gilt als Erfinder des supplicium, mit dem sich römische Bürger an den Herrscher wenden durften. Auf Deutsch heißt diese Ur-Petition "demütiges Bitten". Aus dem demütigen Bitten ist inzwischen ein stolzes Bürgerrecht geworden.

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