Süddeutsche Zeitung

Diplomatische Spannungen zwischen USA und Israel:Lästern, ärgern, nachtreten

Sind die Friedensbemühungen von US-Außenminister John Kerry tatsächlich von Ahnungslosigkeit und "messianischem Eifer" getrieben? Überdeutliche Worte von Israels Verteidigungsminister Jaalon lösen Verstimmungen aus - die auch eine Entschuldigung nicht beenden kann. Ein diplomatischer Affront in fünf Akten.

Von Johannes Kuhn

US-Außenminister John Kerry zeigte sich jüngst optimistisch, bis Ende April zumindest ein Rahmenabkommen über den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zustande zu bringen. Doch Äußerungen israelischer Regierungsmitglieder zeigen, was Teile des Netanjahu-Kabinetts von seinem Einsatz wirklich halten. Ein diplomatisches Possenstück in fünf Akten.

Erster Akt: Die Beleidigung

"US-Außenminister John Kerry, der hier mit einer Entschlossenheit auftaucht und dann getrieben von unangebrachter Besessenheit und mit messianischem Eifer vorgeht, hat mir gar keine Lehren über den Konflikt mit den Palästinensern zu erteilen." (...) "Das Einzige, was uns retten kann: Kerry gewinnt den Nobelpreis und lässt uns in Ruhe."

Keine freundlichen Worte sind das, die Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon hinter verschlossenen Türen über den Dauergast aus Washington da fallen lässt. Immerhin sammelt Kerry gerade ordentlich Flugmeilen allein dadurch, dass er fast jede Woche in den Nahen Osten reist, um ein Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln. Jaalon soll diese Sätze in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten geäßert haben - sie finden am Dienstag über die Zeitung Jediot Achronot den Weg in die internationalen Medien.

Zweiter Akt: Die Entrüstung

"Die Bemerkungen des Verteidigungsministers sind - wenn sie so stimmen - unverschämt und unangemessen, insbesondere angesichts all dessen, was wir für die Sicherheit Israels tun."

Die Reaktion des amerikanischen Regierungssprechers Jay Carney fällt harsch aus. Dass sich die amtierenden Regierungen Israels und der USA misstrauen, ist bekannt. Doch offiziell betonen beide Seiten normalerweise ihre Verbundenheit, selbst, wenn US-Präsident Obama und Israels Premier Netanjahu sich mal wieder gegenseitig auflaufen lassen.

Die Äußerungen von Netanjahus Parteifreund Jaalon jedoch sind ein persönlicher Angriff und damit ein öffentlicher Affront gegen Washington - obwohl Teile der israelischen Rechten durchaus die Meinung des Verteidigungsministers teilen dürften.

Hinzu kommt der Zeitpunkt: Kerry betont seit Anfang des Jahres, dass die Verhandlungen gute Fortschritte bringen und immerhin ein Rahmenabkommen über einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern herauskommen könnte. Nun signalisiert Jaalon, dass zumindest Teile der israelischen Regierung Kerrys Initiative weiterhin ablehnen - und dass der US-Kollege in seinen Augen nicht weiß, was er tut.

Dritter Akt: Der Rückzug

"Der Verteidigungsminister wollte den Außenminister nicht beleidigen und entschuldigt sich, sollte dieser sich durch die Bemerkungen verletzt fühlen."

Diese Mitteilung lässt Jaalon in der Nacht zum Mittwoch sein Büro herausgeben. Zu diesem Zeitpunkt hat er schon Kritik aus der eigenen Regierungskoalition einstecken müssen. Justizministerin Zipi Livni, die für die Verhandlungen mit den Palästinensern zuständig ist, warf ihm Unprofessionalität vor. Der Umweltminister forderte Jaalons Rücktritt. Sogar Außenminister Avigdor Lieberman, selbst ein Freund der verbalen Keule, distanzierte sich. Jaalons Likud-Parteikollege Juval Steinitz, Strategieminister im Kabinett, stimmte zwar dem Inhalt der Äußerungen zu, betonte aber, dass persönliche Angriffe überflüssig seien.

Vierter Akt: Der Nachtritt

"Kerry zwingt uns ein Abkommen auf."

Diplomatische Verstimmung beendet? Nicht ganz. Am Mittwochvormittag meldet sich Jaalons Stellvertreter Danny Danon in einer Facebook-Botschaft zu Wort. Letztlich könnten nur die Soldaten des Landes für Sicherheit sorgen, analysiert er. Kerry, der Israel ein Abkommen "aufzwingt"? Eine deutliche, wenig freundliche Formulierung.

Fünfter Akt: Das Signal der Versöhnung

"Wir können nicht zulassen, dass ein paar Kommentare die Friedensbemühungen untergraben."

Das sagt John Kerry Berichten zufolge am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Kuwait. Ein diplomatisches Schlusswort - aber nicht das Ende der Debatte: In der israelischen Regierung rumort es immer kräftiger, je näher ein mögliches Rahmenabkommen rückt. Der rechte Flügel der Netanjahu-Koalition zeigt, dass er keine konkreten Friedenverhandlungen will. Der Premierminister selbst gibt sich zurückhaltend. Seine Haltung wird am Ende darüber entscheiden, wer sich durchsetzt: Kerry oder die israelische Rechte.

Fortsetzung garantiert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1863400
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/beitz/segi/leja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.