Süddeutsche Zeitung

Diplomatie: USA und Japan:US-Diplomat beleidigt Japaner

Beliebt sind die auf der japanischen Insel Okinawa stationierten US-Soldaten nie gewesen - wegen Flugzeugabstürzen, Morden und Vergewaltigungen. Da sind Kommentare eines US-Diplomaten über die "faulen Japaner" wenig hilfreich.

Christoph Neidhart

Kevin Maher hat aus Wikileaks offenbar nichts gelernt. Der Chef des Japan-Büros im US-Außenamt hat die Bewohner von Okinawa als "Meister der Täuschung und Erpressung" bezeichnet. Maher hatte dem Team angehört, das mit Tokio die Verlegung des US-Stützpunkts Futenma auf Okinawa aushandelte - die allerdings kaum zu realisieren ist. Die Bewohner von Okinawa seien so faul, dass sogar ihre Produktion von Bitter-Melonen, eine Spezialität der Insel, hinter anderen Regionen in Japan zurückfalle, spottete Ex-Konsul Maher vor Studenten, von denen einige mitschrieben und ihre Notizen der Agentur Kyodo zuspielten.

Auf der kleinen Insel Okinawa sind 27.000 US-Soldaten stationiert, drei Viertel aller amerikanischen Truppen in Japan. Seit die USA Okinawa 1972 an Japan zurückgaben, stürzten dort 42 US-Flugzeuge ab. Amerikanische Soldaten begingen bis 2009 25 Morde, 385 Überfälle und 127 Vergewaltigungen, ihr jüngstes Opfer war ein zwölfjähriges Mädchen. Wie einst die Vertreter der Kolonialmächte unterstehen US-Soldaten teilweise nicht der japanischen Justiz. Gleichwohl hat man sich in Tokio daran gewöhnt, dass die Leute von Okinawa zwar meckern, dass man ihnen nach langem Hin und Her ihr Einverständnis aber abkaufen kann. Das meinte Maher wohl mit "Erpressung".

Er habe "off the record" gesprochen, redete sich der Diplomat heraus. Das heißt, er hätte nicht zitiert werden dürfen. Zudem hätten die Studenten seine Rede unvollständig, ungenau und aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben.

In Tokio gibt man sich entsetzt, obwohl man zuweilen auch über Okinawa schimpft. Yukio Edano sagte, das treffe alle Japaner. An seinem ersten Arbeitstag als provisorischer Außenminister musste er bei Japans engstem Verbündeten protestieren. Das Lokalparlament von Okinawa verlangt eine Entschuldigung der USA.

In Washington forderte der konservative frühere Präsidentschaftskandidat Ron Paul kürzlich den Abzug der amerikanischen Truppen aus Japan. Die USA müssten sparen, sagte er zur Begründung. In Japan will man zwar den militärischen Schutz der USA, aber nicht ihre Truppen. Erst der Streit mit China um die Senkaku-Inseln vorigen Herbst bremste die Ablehnung der US-Truppen - so, als hätte die CIA Regie geführt.

Manche Experten glauben, es bedürfe bloß eines neuen spektakulären Verbrechens amerikanischer Soldaten an Japanern, damit die Wut der Menschen auf Okinawa explodiere. Aber Diplomaten wie Kevin Maher schaffen das auch ohne kriminelle Tat.

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SZ vom 09.03.2011/jab
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