Diplomatie:Transatlantische Brise

Diplomatie: Man kennt sich: Joe Biden, damals noch Vizepräsident der USA, und Bundeskanzlerin Angela Merkel 2013 in Berlin.

Man kennt sich: Joe Biden, damals noch Vizepräsident der USA, und Bundeskanzlerin Angela Merkel 2013 in Berlin.

(Foto: JOHANNES EISELE/AFP)

Eine Umfrage zeigt: Die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten dürfte das ramponierte deutsch-amerikanische Verhältnis neu beleben.

Von Simon Groß, München

Die Regierungsjahre des noch amtierenden amerikanischen Präsidenten Donald Trump haben tiefe Spuren im deutsch-amerikanischen Verhältnis hinterlassen haben. Wie sehr das transatlantische Bündnis gelitten hat, offenbart eine repräsentative Umfrage der Körber-Stiftung zur Meinung der Deutschen über die Außenpolitik ihres Landes. Die Ergebnisse zeigen aber auch: Die Wahl von Joe Biden könnte ein Wendepunkt sein.

Dabei geht die Wahrnehmung über den Zustand des Miteinanders zwischen Deutschen und Amerikanern bisweilen ziemlich auseinander. Kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA bewerteten mehr als drei Viertel der Deutschen die transatlantischen Beziehungen als "sehr schlecht" oder "eher schlecht" - ein absoluter Tiefpunkt.

Die Beziehungen zu den USA, so befanden die Befragten, seien die drittgrößte außenpolitische Herausforderung. Nur noch zehn Prozent sahen in den USA den wichtigsten internationalen Partner. Und bei Themen wie Klimaschutz, Freihandel, Schutz von Menschenrechten und Demokratie und im Umgang mit China fühlten sich die Deutschen mehrheitlich von ihrem Verbündeten alleingelassen.

Fast drei Viertel der Amerikaner beurteilten die Beziehungen als "sehr gut" oder "gut"

Auf der anderen Seite des Atlantiks sah man die Sache offenbar anders: Fast drei Viertel der Amerikaner beurteilten die Beziehungen als "sehr gut" oder "eher gut", wie eine Umfrage des Pew Research Center in den USA ergab. Nun gibt es Anzeichen dafür, dass die Deutschen die Vereinigten Staaten zukünftig wieder stärker als Verbündeten wahrnehmen könnten.

Nach dem Wahlsieg von Präsidentschaftskandidat Joe Biden gehen gut drei Viertel der Bundesbürger von einer Normalisierung der transatlantischen Beziehungen aus. Damit einhergehend sieht auch knapp ein Viertel der Deutschen in den USA nach der Wahl wieder den wichtigsten Partner auf internationaler Ebene, ein deutlicher Sprung nach oben. Die Bindung zum Nachbarland Frankreich steht dadurch nicht mehr ganz so deutlich im Vordergrund: Stuften vor der US-Wahl noch 54 Prozent der Deutschen Frankreich als wichtigsten Partner ein, so sehen dies nach der Wahl noch 43 Prozent so.

Wie bedeutend das politische Großereignis für die Einstellung der Deutschen zu den USA ist, zeigt ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Bei gut der Hälfte der Bürger ist das Vertrauen in die US-amerikanische Demokratie durch die Wahl und ihre Begleiterscheinungen geschwächt, bei nur einem Drittel hat sie das Vertrauen gestärkt. Von der Kraft ihrer eigenen Demokratie scheinen die Deutschen im Gegensatz dazu besonders überzeugt zu sein. Im Vergleich zu Frankreich, Großbritannien, den USA und Polen halten die Bundesbürger ihr eigenes Land für das demokratischste.

Der Klimawandel ist in der Wahrnehmung nach hinten gerückt

Die größten außenpolitischen Herausforderungen sehen die Deutschen nach der Umfrage in der Migration, gefolgt von Wladimir Putin und Russland. Das ist eine neue Entwicklung. Ein Jahr zuvor sah nur jeder Zwanzigste die größte Herausforderung im Verhalten des russischen Präsidenten, dieses Jahr ist es gut jeder Vierte gewesen. Das könnte an der Vergiftung des Oppositionellen Alexej Nawalny und der angespannten Lage in Belarus liegen, vermuten die Autoren der Studie.

Umgekehrt ist das Thema Klimawandel in der außenpolitischen Wahrnehmung der Deutschen deutlich in den Hintergrund gerückt, 2019 sah fast jeder Dritte darin die dringendste Aufgabe, dieses Jahr ist es nicht einmal jeder Zehnte. Die Bewältigung der Corona-Pandemie wird nur zu einem geringen Teil als außenpolitische Herausforderung wahrgenommen.

Die US-Wahl hat auch den Blick auf China verändert, mehr als die Hälfte der Deutschen sehen nun wieder enge Beziehungen zu den USA als wichtiger an als zu China. Noch im April herrschte ungefähr Gleichstand: Jeweils ein Drittel der Deutschen hielt ein enges Verhältnis zu den beiden Ländern für wichtiger. Dem wachsenden Einfluss Chinas stehen fast die Hälfte der Deutschen neutral gegenüber, allerdings sehen ihn fast genauso viele negativ - und nur jeder Zehnte beurteilt ihn positiv.

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