Diplomatie:Taliban nach New York?

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Die neuen afghanischen Machthaber wollen vor den UN sprechen.

Von Tobias Matern

Es ist die ganz große internationale Bühne, und auf die wollen sie nun auch. Die Taliban reklamieren Rederecht bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die bis Montag in New York Vertreter der 193 Mitgliedstaaten zusammenbringt. Und nun? Afghanistan ist offizielles Mitglied des Weltgremiums. Die im August kollabierte Regierung des Ex-Präsidenten Aschraf Ghani hat jedes Jahr einen Vertreter in den Wolkenkratzer am East River geschickt. Aus dieser Regierung gibt es noch einen UN-Botschafter, aber den wollen die Taliban ersetzen mit einem Mann, der für das Doha-Büro der Islamisten gesprochen hat: Suhail Schahin.

"Wenn Regime zumindest den Schein legitimer Herrschaftsübernahme wahren, reicht das meist für eine Anerkennung und für ein Rederecht bei den Vereinten Nationen aus", sagt Stefan Oeter, Hamburger Professor für Völkerrecht. "Im Falle der Taliban ist wegen der gewaltvollen Machtübernahme aber bislang noch nicht einmal dieser Schein gewahrt worden." Eine diplomatische Aufwertung, wie sie den Taliban nun vorschwebe, sei für die laufende UN-Generalversammlung nicht zu erwarten, aber "perspektivisch wird es sicher dazu kommen", ist Oeter überzeugt.

Rechtlich ist der Fall eindeutig: Mit der Forderung der Taliban befassen sich nicht die Vereinten Nationen als Organisation, sondern ihre Mitglieder. Wer vor der Vollversammlung sprechen darf - was de facto eine Anerkennung des Redners als legitimierter Vertreter seines Staates ist -, prüft ein eigens für die Vollversammlung gebildetes Zulassungskomitee. Das setzt sich aus neun Staaten zusammen, darunter in diesem Jahr neben den USA, Russland und China auch Schweden, Namibia und Bhutan. Wie sich das Gremium zur Forderung der Taliban verhalten wird, stand am Mittwoch noch nicht fest.

Die politische Bewertung ist aber eine andere Frage. Vor 25 Jahren, bei der ersten Machtübernahme der Taliban in Kabul, war die Lage einfacher: Die Islamisten waren isoliert. Nur drei Staaten - Pakistan, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate - unterhielten diplomatische Beziehungen zu ihnen. Eine Rede vor den Vereinten Nationen wollte aus den Reihen der Taliban damals niemand halten. Es wäre ihnen auch nicht gewährt worden.

Aber nach dem gescheiterten Einsatz hat der gedemütigte Westen nun nach wie vor Interessen am Hindukusch - in erster Linie, ein Wiederstarken des internationalen Terrorismus zu verhindern. Auch sollen zurückgelassene Ortskräfte weiter ausgeflogen werden, die unter anderem für Bundeswehr, US-Armee und westliche Regierungen gearbeitet haben. Dafür braucht es eine Kooperation mit den Taliban, die ihrerseits Hilfsgeld benötigen, um das Volk zu versorgen.

Nicht nur westliche Staaten sind in Sachen diplomatischer Anerkennung aber noch zurückhaltend. Selbst Pakistan, dessen Sicherheitsapparat gute Verbindungen zu den Taliban unterhält, gibt sich abwartend. Zwar müsse die internationale Gemeinschaft eine Verständigung mit den Taliban anstreben, sagt Außenminister Shah Mahmood Qureshi. Aber auch seine Regierung habe es nicht eilig, die Machthaber in Kabul offiziell anzuerkennen.

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