Diplomatie:Szenen einer Beziehung

Die Türkei als Terrorhelfer? Der deutsche Innenminister spricht von einem "Teilaspekt türkischer Wirklichkeit". Was den Ärger in Ankara über Berlin nicht verringert.

Kanzlerin Angela Merkel hat die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der Türkei für eine Verringerung der Flüchtlingszahlen hervorgehoben. Das EU-Flüchtlingsabkommen spiele eine "große Rolle" im Kampf gegen Fluchtursachen, Menschenschmuggel und Schleppertum, sagte Merkel in einem am Donnerstag veröffentlichten Gespräch mit CDU.TV. Zu der Debatte über eine angebliche Unterstützung von Islamisten durch die Türkei äußerte sich die CDU-Chefin nicht. In einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken wirft die Bundesregierung der Türkei vor, islamistische Rebellen in Syrien zu unterstützen. Zudem sei das Land zu einer "zentralen Aktionsplattform" für Gruppen wie die ägyptische Muslimbruderschaft und die palästinensische Hamas geworden.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte den Bericht, relativierte ihn zugleich aber als Teilbewertung "Da ist nichts zu bereuen", sagte er dem RBB-Fernsehen. Der Text sei lediglich "eine pointierte Darstellung eines Teilaspekts türkischer Wirklichkeit". De Maizière fügte hinzu: "Die Wirklichkeit in der Türkei und unsere Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung geht darüber hinaus."

Der türkische EU-Minister Ömer Çelik wies die Einschätzung des Bundesinnenministeriums zurück. Ankara kämpfe gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), den "Islamischen Staat" und "andere Terrorgruppen", sagte der Minister der Wirtschaftswoche. "Wir tun das aus unserem eigenen Interesse heraus, aber natürlich auch für unsere Verbündeten." Çelik bekräftigte die Absicht der Türkei, der EU beizutreten. Ein solcher Beitritt wäre "gut für die Türkei und gut für die EU".

Diplomatie: Der Putschversuch von Juli erhitzt in der Türkei weiter die Gemüter, nicht nur bei Demos. Zehntausende wurden inzwischen als Putschisten verhaftet.

Der Putschversuch von Juli erhitzt in der Türkei weiter die Gemüter, nicht nur bei Demos. Zehntausende wurden inzwischen als Putschisten verhaftet.

(Foto: Petros Karadjias/AP)

Elf Menschen sterben bei Terroranschlägen im Osten des Landes

Der Minister forderte von Deutschland die Ausweisung von Imamen, die mit der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen in Verbindung stehen. Çelik verlangte auch ein "Verbot der Unternehmen und Organisationen, die der Bewegung nahestehen". Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Gülen für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich. Nach Angaben von Regierungschef Yildırım wurden im Zuge der Ermittlungen gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger mehr als 40 000 Menschen festgenommen, die Hälfte von ihnen wurde angeklagt und inhaftiert. Fast 80 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes seien suspendiert worden.

Die Türkei will nun 38 000 Häftlinge vorzeitig freilassen. Justizminister Bekir Bozdağ sagte, es handle sich nicht um eine Amnestie. Die Maßnahme gelte zudem weder für verdächtige Putschisten noch für Mörder, Drogenhändler und Terrorverdächtige. Es wird vermutet, dass die Regierung Platz in den Gefängnissen für mutmaßliche Putschisten schaffen will.

Präsident Erdoğan warf Gülen am Donnerstag vor, hinter jüngsten Anschlägen im Osten des Landes zu stecken. Es gebe keinen Unterschied zwischen dem IS, Gülen-Anhängern und der PKK. Bei einem Anschlag auf eine Polizeiwache in Elazig wurden drei Menschen getötet und 217 verletzt. Bei der Explosion eines Sprengsatzes in der Provinz Bitlis starben nach Angaben aus Sicherheitskreisen vier Soldaten. Zu den Angriffen hat sich niemand bekannt.

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