Diplomatie:Steinmeiers schwieriger Trip ins Baltikum

German Foreign Minister in Latvia

Fröhlich geht anders. Dabei hatte Außenminister Steinmeier (links) von seinem lettischen Amtskollegen Edgars Rinkevics ein großes Lob für die deutschen Zusagen in Nato-Fragen erhalten.

(Foto: dpa)
  • Frank-Walter Steinmeier besucht in eineinhalb Tagen alle drei baltischen Staaten. Für den Außenminister ist das ein Kurztrip mit Bauchschmerzen.
  • Flüchtlingsstreit, Ukrainekonflikt und Sanktionsdebatten belasten die ansonsten guten Beziehungen zu Lettland, Estland und Litauen.
  • Steinmeier leistet sich gar einen kleinen Wutanfall.

Von Stefan Braun, Vilnius/Riga

Am Anfang ist eigentlich alles in Ordnung. So in Ordnung, wie das eben sein kann in schwierigen Zeiten. Seit Monaten wirbt Deutschland bei der Flüchtlingskrise, den Russland-Sanktionen und dem verstärkten Einsatz der Nato an ihrer Ostflanke für Mäßigung - und seit Monaten kann man die baltischen Staaten dabei recht kompromisslos erleben. Gleichwohl wirkt Linas Linkevicius, der litauische Außenminister, ganz friedlich bei der Begrüßung.

Er empfängt Frank-Walter Steinmeier mit den Worten, der Fortschritt der Beziehungen sei ,,auf allen Gebieten stärker geworden''. Schön sei es, dass das deutsche Goethe-Institut in Vilnius ausgebaut werde; klasse sei die Kooperation bei Radio und Fernsehen; danken wolle er für das Engagement bei der geplanten Nato-Mission in Osteuropa.

Es soll gut klingen, das Lob aus Vilnius. Doch kaum später kommt die Frage eines Journalisten. Deutschland, so der Mann, werbe unentwegt für einen Dialog mit Russland. Die Verhandlungen in und nach Minsk könne man auch als Dialog bezeichnen. Nur gebracht habe der bisher gar nichts. Woher also komme in Berlin der Glaube, dass das Reden mit Moskau wirklich etwas einbringt?

Mag sein, dass Steinmeier mit Zweiflern gerechnet hat auf dieser Reise. Trotzdem brodelt es in ihm plötzlich. ,,Wenn Sie einen fairen Blick auf unser außenpolitisches Engagement werfen, müssen Sie sehen, dass sich Deutschland der Verantwortung nicht entzogen hat, sondern ihr gerecht wurde.'' Ja, es sei heute schwerer, allen Bedürfnissen gerecht zu werden (also auch denen der Balten). Aber die Zahl der Konflikte sei weltweit immens gestiegen. Selbst in Mali habe Deutschland inzwischen 300 Soldaten, um den Frieden zu stabilisieren. ,,Also, wenn Sie der Meinung sind, dass Deutschland seiner Verantwortung nicht gerecht wird, dann hätte ich kein Verständnis für diese Kritik.''

Steinmeier trommelt mit seinen Fingern garstig aufs Rednerpult

Wahrscheinlich musste dieser Ausbruch mal kommen. Jetzt ist es eben in Vilnius aus ihm raus gebrochen. Überall klemmt's in diesen Wochen. Die Friedenssuche in der Ostukraine kommt nicht voran; die Flüchtlingskrise ist noch lange nicht gelöst; der Streit um eine Verlängerung der Russland-Sanktionen Ende Juni stellt schon wieder Europas Einigkeit in Frage. Und dann gibt es da die Balten, die bei diesen zentralen Fragen eher ziehen und zerren und kritisieren und lieber nach noch mehr Nato in ihren Ländern rufen statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Für einen Moment wirkt es deshalb rein menschlich fast verständlich, dass Steinmeier mit seinen Fingern garstig aufs Rednerpult trommelt, nachdem er kurz zuvor noch erklärt hat, man sei inzwischen zum engen Partner geworden. Die Nerven sind nach Monaten der Dauerkrise nicht mehr die besten. Nur ob der Journalist so überzeugt worden ist, bleibt gelinde gesagt offen.

Zumal das mit der Partnerschaft rein äußerlich ja nicht falsch ist. Der Umgang ist herzlich, der wirtschaftliche Austausch wächst, die Goethe-Institute werden stark nachgefragt, zigtausende Schüler und Studenten lernen deutsch und hoffen auf ein Studium in Deutschland. Doch dort, wo es aktuell heftig knirscht zwischen den Freunden, bewegt sich wenig. Auch nach 36 Stunden in drei Staaten ( Mittagessen in Vilnius, Abendessen in Riga, Mittagessen in Tallinn) hat sich bei der Flüchtlingsfrage wie bei den Russland-Sanktionen wenig bewegt. ,,In Nuancen'' gebe es Unterschiede zwischen den Balten, heißt es am Rande. Im Grundsatz aber ändere sich an den Haltungen wenig.

Das Ende lässt hoffen

Immerhin, nachdem Steinmeier immer wieder betont hat, dass Deutschland Wort halten werde bei allen Zusagen im Rahmen der Nato, erntet er Lob für Berlins Einsatz. Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics erklärt fast wortgleich wie zuvor der Litauer Linkevicius: ,,Wir anerkennen sehr, was Deutschland seit 2014 schon alles getan hat.''

Und so kann Steinmeier das Gefühl mit nach Hause nehmen, dass ihm wenigstens das deutsche Nato-Engagement noch helfen könnte bei seinem Werben, im Umgang mit Russland nicht nur auf Abschreckung und mehr Nato, sondern auch auf wieder mehr Austausch mit Moskau zu setzen. Von Nutzen ist dabei vor allem die noch nicht beschlossene, aber fest eingeplante Rolle Deutschlands beim Aufbau der Nato-Präsenz in Litauen. Berlin ist da weiter als andere große Nato-Mitglieder - was die Balten mittlerweile erkannt haben.

Licht an einer Stelle, wo es vor zwei Jahren besonders düster aussah

Spürbar ist in diesen 36 Stunden zudem, dass die Unterschiede zwischen den Balten und der noch härter auftretenden polnischen Regierung wachsen. Die Schärfe Warschaus stießen in Vilnius, Riga und Tallinn auf zunehmende Skepsis, heißt es am Rande der Reise. Dass dabei auch Berliner Hoffnungen mit im Spiel sind, muss man wohl mit einrechnen.

Am Ende gibt es sogar ein Zeichen echter Entspannung. Und das an einer Stelle, wo es vor zwei Jahren besonders düster aussah. Unmittelbar nach Ausbruch der Ukrainekrise waren auch im Baltikum die Spannungen zwischen einheimischer und russisch-sprachiger Bevölkerung dramatisch gewachsen. Nationalistische Töne vor allem in Lettland, in dem ein Drittel der Bevölkerung russisch spricht, hatten die Stimmung gefährlich aufgeladen.

Nun gibt es Zeichen der Hoffnung, und beigetragen hat dazu auch eine Kooperation lettischer und deutscher Medienexperten. Ihr Ziel: lettische Medien aufzubauen, die in russischer Sprache die eigene russische Minderheit ansprechen. Nur so, das war vor zwei Jahren Mahnung und Hoffnung, könne der große Einfluss russischer Medien gebremst werden. ,,Da ist eine positive Bilanz möglich'', sagt Steinmeier. Es klingt, als wolle er wenigstens ein Mal aufatmen.

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