Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Scharfe Kritik nach Gewalt

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Der UN-Sicherheitsrat nimmt Beratungen zur Eskalation der Proteste in Gaza am Montag auf. Die Türkei verweist unterdessen den israelischen Botschafter des Landes.

Die Gewalt an der Grenze Israels zum Gazastreifen hat weltweit Forderungen nach unabhängigen Untersuchungen ausgelöst. Der Weltsicherheitsrat nahm am Dienstag Beratungen dazu auf, nachdem Deutschland, Großbritannien und der Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen sich dafür ausgesprochen hatten, die Hintergründe der Gewalt durch die UN untersuchen zu lassen. In der Dringlichkeitssitzung stellte sich die US-amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley auf Seiten Israels: "Kein Land in diesem Rat würde mit größerer Zurückhaltung handeln, als Israel es getan hat", sagte sie.

Die Bundesregierung zeigte sich besorgt über die "schrecklichen Geschehnisse" in Gaza. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Dienstag in Berlin, es sei entsetzlich, dass so viele Menschen ihr Leben verloren hätten. Jeder habe ein Recht auf friedlichen Protest, aber dieses dürfe nicht missbraucht werden. Seibert warf der Hamas vor, sie lege es auf eine Eskalation an. Israel wiederum habe das Recht, die Grenzen zu schützen, müsse aber die Verhältnismäßigkeit wahren. Das gelte besonders beim Einsatz scharfer Munition. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte am Dienstag "die Gewalt der israelischen Streitkräfte gegen die Demonstranten" in Telefonaten mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem jordanischen König Abdullah II. Er beklagte demnach "die große Zahl ziviler palästinensischer Opfer" und rief alle Verantwortlichen zur Zurückhaltung auf.

Der UN-Menschenrechtsberichterstatter in den Palästinensergebieten, Michael Lynk, sagte, Israels Vorgehen könnte einem Kriegsverbrechen entsprechen. Anlass der Proteste am Montag war die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem am 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels. Bei den Protesten starben etwa 60 Menschen, mehr als 2200 wurden verletzt. Ein Großteil der Verwundeten werde lebenslang an den Folgen der Verletzungen leiden, teilte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mit. Israel warf der radikalislamischen Hamas vor, die Angriffe gegen den Gaza-Grenzzaun zu steuern.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas orderte am Dienstag den PLO-Vertreter in Washington zurück. Die Türkei verwies den israelischen Botschafter vorübergehend des Landes, wie das Außenministerium mitteilte. Bereits am Montagabend hatte die Türkei laut Vize-Regierungschef Bekir Bozdağ ihre Botschafter in Israel und den USA zu Beratungen zurückbeordert. Israel und die Türkei hatten erst 2016 wieder Botschafter ausgetauscht. Zuvor hatten die langjährigen Verbündeten ihre Botschafter schon einmal abgezogen, nachdem israelische Soldaten eine türkische Hilfsflotte für den Gazastreifen gestürmt und zehn türkische Aktivisten getötet hatten. In der Türkei begann eine dreitägige Staatstrauer für die palästinensischen Todesopfer bei den Protesten. Regierungschef Binali Yıldırım forderte die islamischen Staaten auf, ihre Beziehung zu Israel auf den Prüfstand zu stellen.

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SZ vom 16.05.2018 / SZ
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