Diplomatie:Puigdemonts Belgien-Rätsel

Was will Carles Puigdemont in Belgien? Sich vor der spanischen Justiz drücken? Oder doch Einfluss nehmen? Beobachter rätseln.

Von Thomas Kirchner

Was will Carles Puigdemont in Belgien? Nichts Spezielles, glaubt man seinen Worten. Er sei ja auch nicht nach Belgien gefahren, sagte der abgesetzte katalanische Regierungschef am Dienstag in einer chaotischen Pressekonferenz zu den EU-Journalisten, sondern nach Brüssel, ins "institutionelle Herz" Europas. "Das ist ein wichtiger Unterschied." Er wolle hier nur das "ernsthafte demokratische Problem" erklären, das die spanische Regierung mit Katalonien habe. Um anschließend brav nach Hause zu fahren und sich in die Fänge der spanischen Justiz zu begeben?

Das nun auch wieder nicht. Am Dienstagabend ging dieses Gerücht um, dann war klar, dass Puigdemont vorerst in Belgien bleiben möchte. Er werde der Vorladung des Staatsgerichtshofs in Madrid, der ihn am Donnerstag unter anderem zu den Anklagepunkten "Rebellion" und "Aufruhr" befragen will, nicht Folge leisten, sagte sein Anwalt. Es drohe ein unfairer Prozess, und man könne seinen Mandanten auch in Brüssel befragen.

Darauf wird sich Spaniens Justiz wohl nicht einlassen und statt dessen einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont ausstellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die belgische Regierung dem Wunsch entgegenstellt, ist gleich null. Zwar hatte Asyl-Staatssekretär Theo Francken - ein flämischer Separatist und erklärter Freund der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung - per Twitter die Idee lanciert, Puigdemont politisches Asyl zu gewähren. Aber sein Chef Charles Michel pfiff Francken, eine Regierungskrise witternd, sofort zurück. Der Gast werde behandelt wie jeder andere EU-Europäer, sagte er. Und die erhalten so gut wie nie Asyl, denn das führte die EU-Rechtsgemeinschaft ad absurdum.

Puigdemonts Versuch, Solidarität in Brüssel zu mobilisieren, schlug übrigens fehl. Die EU zeigt ihm weiterhin die kalte Schulter, während die meisten Medien auf den Katalanen mit einem typischen Reflex reagieren: Sie lehnen Nationalismus ab.

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