Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Ein Gipfel wird zur Arena

Die Rivalität zwischen China und den USA hat das Treffen der Apec-Staaten überschattet. Erstmals in seiner Geschichte ist der Gipfel ohne gemeinsames Kommuniqué zu Ende gegangen.

Von Arne Perras, Singapur

Am Ende einer Woche zäher Gipfeltreffen ist in Asien nicht viel gewonnen - außer der Gewissheit, dass die Kluft zwischen China und den Vereinigten Staaten vorerst unüberbrückbar bleibt. Schon beim Treffen der südostasiatischen Asean-Staaten in Singapur konnte der routiniert vorgetragene Einheitsschwur eines eher uneinigen Zehn-Länder-Clubs kaum die Spannungen überdecken. Die wachsende Rivalität zwischen Washington und Peking war überall zu spüren.

Am Wochenende brachte das Treffen der Pazifik-Anrainer Apec (Asia-Pacific Economic Cooperation) das Zerwürfnis der großen Mächte schließlich so schonungslos zutage, dass Port Moresby als Ort unversöhnlicher Weltdiplomatie noch eine ganze Weile in Erinnerung bleiben dürfte. Noch nie in der Geschichte der Apec endete ein Gipfel ohne ein gemeinsames Kommuniqué.

Da half es auch nichts, dass Gastgeber Peter O'Neill ein Abschlusspapier für die kommenden Tage in Aussicht stellte. Der Premier Papua-Neuguineas wollte sein Land der Welt empfehlen, auf seinem armen Staat lasten nun Rechnungen über mehrere hundert Millionen Dollar, die nötig waren, um das Mega-Event mit Tausenden Delegierten zu stemmen. Doch nicht die erhofften Investitionsverträge für den flächenmäßig drittgrößten Inselstaat der Welt standen im Vordergrund, sondern das Duell zwischen Amerikanern und Chinesen.

Viele Länder der Region fürchten, dass sie sich zwischen Peking und Washington entscheiden müssen

Zunächst hatte Staatschef Xi Jinping ausgeholt und mit Blick auf Washington die Warnung ausgesprochen, dass Länder, die in Protektionismus verfielen, zum Scheitern verurteilt seien. China hingegen sei gewillt, den Marktzugang deutlich zu verbessern. Xi versprach außerdem, die Rechte des intellektuellen Eigentums zu stärken und aktiv Importe zu erhöhen.

China umschmeichelt die Staaten in seiner Nachbarschaft, viele Länder stehen vor schwierigen Entscheidungen, sollte die strategische Lage es irgendwann einmal erfordern, sich zwischen einer der beiden Mächte - Peking oder Washington - als Partner zu entscheiden. Singapurs Premier Lee Hsien Loong hatte schon während des Asean-Treffens angedeutet, wie stark diese Aussicht Asean belastet: "Es ist sehr wünschenswert für uns, nicht Partei zu ergreifen, aber es können Verhältnisse entstehen, in denen Asean gezwungen sein wird, die eine oder die andere Seite zu wählen. Ich hoffe, dass das nicht bald geschieht."

Chinas Staatschef Xi sprach in Port Moresby bereits von einer Wegscheide: "Welche Richtung sollen wir einschlagen? Kooperation oder Konfrontation? Offenheit oder geschlossene Türen?" Nicht zum ersten Mal seit der Amtsübernahme Trumps inszenierte sich der chinesische Staatschef als ehrgeiziger Verfechter des Freihandels, immerzu lockend, dass auf diese Weise jeweils beide Seiten profitieren könnten.

"Win-Win" lautet die viel beschworene chinesische Formel. Die USA hätten hingegen allenfalls ein "Nullsummenspiel" zu bieten. US-Vize Mike Pence, der seinen Chef Donald Trump bei der Gipfelwoche vertreten musste, konterte die chinesische Botschaft mit der Drohung, Strafzölle wenn nötig noch zu verdoppeln. Auch schoss er sich auf die Pläne für eine Neue Seidenstraße (auch "Road and Belt" genannt) ein. Er warnte Staaten der Region davor, Auslandschulden zu akzeptieren, die ihre Souveränität beschränkten. Dann baute er die Anspielungen auf Peking noch weiter aus, indem er anmerkte: "Wir ertränken niemanden in einem Meer aus Schulden."

Pence griff damit ein brisantes Thema auf, das seit der Krise auf Sri Lanka die Nachbarstaaten Chinas zunehmend umtreibt. Weil die Regierung in Colombo Schwierigkeiten hatte, ihre Schulden an Peking zurückzuzahlen, kontrollieren nun die Chinesen den neuen Hafen Hambantota. Analysten haben dies als chinesische "Schuldenfalle" kritisiert, die Colombo in die Abhängigkeit treibe.

Während die USA ganz offenkundig bestrebt sind, Ängste in der Region zu nutzen, um den schwindenden US-Einfluss wieder zu verstärken, pocht Peking darauf, dass die Seidenstraßen-Initiative keine Falle sei, dass Peking niemanden ausschließe und dass sein Land, wie Xi versicherte, mit den Investitionen "keinen geopolitischen Zweck verfolgt."

Allerdings herrscht in Südostasien kein Zweifel daran, dass beide Großmächte die Region als Arena für geopolitische Ambitionen betrachten, die militärischen Muskelspiele im Südchinesischen Meer sind der augenfälligste Beleg dafür. Nicht zufällig ließ Pence die Welt beim Apec-Gipfel denn auch wissen, dass die USA und Australien zusammen mit Papua-Neuguinea die Marinebasis Lombrum ausbauen wollen. Der Tiefseehafen liegt auf Manus Island östlich von Neuguinea und wurde von den Amerikanern bereits gegen Ende des Zweiten Weltkriegs genutzt, damals gegen die Japaner.

1946 verlor Washington das Interesse wieder, jetzt, 72 Jahre später, sind die Amerikaner zurück. Der Apec-Gipfel in Port Moresby galt Analysten schon als "China-Show", Peking stößt mit Investitionen bis in die entlegensten Winkel Südostasiens vor. Aber unbeobachtet bleiben sie dort nicht.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2018
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