Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Die Kanzlerin will Donald Trump verstehen lernen

Lesezeit: 4 min

Von Nico Fried

Wenn es sich bei den Erwartungen an das erste Treffen Angela Merkels mit Donald Trump um einen Luftballon handeln würde, hätte er am Montag mit einem langen Pfrfrfrfr und erheblicher Schubkraft den Reichstag in Berlin umkreisen können. Die Helfer der Kanzlerin bemühten sich jedenfalls, ordentlich Luft rauszulassen aus manchen Analysen über Merkels Antrittsbesuch beim neuen US-Präsidenten.

Die Kanzlerin freue sich einfach auf die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Trump, berichtete Regierungssprecher Steffen Seibert. Es handele sich um einen "ganz normalen" Meinungsaustausch. Auch eine Blizzard-Warnung für die amerikanische Ostküste wollte Seibert nicht mit der anstehenden Begegnung im Weißen Haus an diesem Dienstag in Verbindung bringen. Er sei immer dagegen gewesen, "dass man Wetterverhältnisse für politische Metaphern missbraucht", so der frühere Fernsehjournalist.

Merkel hielt sich bislang mit Kommentaren über Trumps Person zurück

Die Kanzlerin selbst, die am Montag noch einen gut gefüllten Arbeitstag zu absolvieren hatte, präsentierte sogar eine Art guten Vorsatz, als sie am Mittag mit den Spitzen der deutschen Wirtschaft in München vor die Presse trat. "Miteinander reden statt übereinander reden - das wird mein Motto sein bei diesem Besuch, auf den ich mich ausdrücklich freue." Anschließend flog sie nach Berlin zurück, wo sie sich in ihrer Funktion als CDU-Vorsitzende noch mit den Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz zusammensetzte. Natürlich liegt es nahe, wenigstens die Metapher vom göttlichen Beistand zu bemühen, doch die Bischofskonferenz ist katholisch und Merkel Protestantin.

Miteinander reden, statt übereinander - das klingt gleichwohl ein bisschen nach Kirchentagsmotto. Freilich ist es nicht so sehr eine Sache auf Gegenseitigkeit, wie es erscheinen mag. Denn während Merkel sich mit politischen Kommentaren zu Trump weitgehend zurückhielt und auf persönliche Beurteilungen in der Öffentlichkeit bislang ganz verzichtete, sind von Trump sowohl aus dem Wahlkampf wie auch aus der Zeit danach einige Bemerkungen aktenkundig, die nur mit sehr viel gutem Willen als politisch bezeichnet werden können und eher an persönliche Schmähungen erinnern. Der neue Präsident hat deutlich mehr über die Kanzlerin geredet als umgekehrt. Vor allem Merkels Flüchtlingspolitik beschrieb Trump gerne als "katastrophalen Fehler" und "verrückt".

Es ist nicht zu erwarten, dass sich Merkel über solchen Umgang bei ihrem wegen eines Schneesturms auf Freitag verschobenen Treffens mit Trump beschwert. Es habe "in der Politik keinen Sinn, Äußerungen in die Waagschale zu legen, die der eine oder andere mal getan hat", heißt es in Merkels Umgebung. Wenn man sich das erste Mal treffe, dann gehe es darum, dass man "ein Verständnis füreinander entwickelt", sagt ein Kanzler-Mitarbeiter, "dass eine Basis entsteht", um in der Zukunft Positionen schnell und unkompliziert, zum Beispiel am Telefon, abgleichen zu können.

Nato, Ukraine, Rusland: Die Liste der politischen Themen ist lang

Unbestreitbar ist, dass Trump sich viel Zeit für die erste Begegnung mit Merkel nehmen will. Das wurde in Berlin genauso betont wie die Tatsache, dass die Einladung vom Weißen Haus ausgegangen sei. Eine halbe Stunde war für ein Gespräch unter vier Augen vorgesehen. Danach sollten die Delegationen hinzukommen. Dazu ein runder Tisch mit Wirtschaftsvertretern und nach der Pressekonferenz noch ein gemeinsames Mittagessen.

Die Liste der möglichen Themen für die politischen Gespräche ist lang. Den Deutschen ist unter anderem wichtig, die Bedeutung der Nato zu unterstreichen und herauszufinden, wie die Amerikaner zu den Friedensbemühungen im Ukraine-Konflikt auf der Basis des Minsker Abkommens stehen. Trump, aber auch sein Vizepräsident Mike Pence, sowie der Außen- und der Verteidigungsminister haben sich zwar mittlerweile zum nordatlantischen Verteidigungsbündnis bekannt, aber immer wieder auch die Forderung nach einer gerechteren Lastenteilung erhoben, was für viele Europäer bedeutet, die Haushaltsmittel aufzustocken. Vorgabe ist die Vereinbarung der Nato-Staaten von 2014, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. In Berlin lautete die Formulierung am Montag, "dass wir uns daran orientieren".

Merkel dürfte auch interessieren, wie Trump sich das Verhältnis zu Russland vorstellt, wobei im Weißen Haus zuletzt eher umgekehrt der Wunsch ventiliert wurde, die Kanzlerin möge Trump an ihren langjährigen Erfahrungen mit Wladimir Putin teilhaben lassen. Sah es anfangs noch so aus, als strebe der neue Präsident - in seinen Worten - "Deals" mit Putin an, so hat sich die Atmosphäre zwischen Washington und Moskau inzwischen merklich abgekühlt. Auch von Überlegungen, gegen Russland verhängte Sanktionen alsbald aufheben zu lassen, ist in Washington zuletzt nichts mehr zu hören gewesen.

In den geplanten Mauerbau will sich die Kanzlerin nicht einmischen

Syrien, der Kampf gegen die Terroristen des "Islamischen Staates", der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, aber auch die Lage in Nordafrika und in der Region Subsahara sowie die damit verbundene Flüchtlingskrise sind weitere Themen. Die geplante Mauer an der amerikanischen Südgrenze hingegen sieht man in Berlin als bilaterales Thema zwischen den USA und Mexiko, "in das sich die Bundeskanzlerin nicht einmischt", wie es heißt. Freilich würde Merkel, die ehemalige DDR-Bürgerin, sicherlich davon berichten, wie es war, mit einer Mauer zu leben. Trumps Vorvorgänger George W. Bush hatte sich nach seinem ersten Treffen mit Merkel als Bundeskanzlerin gerade von diesen Erzählungen besonders beeindruckt gezeigt.

Auch wenn das Kanzleramt das unter Merkel schon immer übliche Erwartungsmanagement betreibt, gibt es Indizien dafür, dass es am Freitag kein ganz normaler Besuch sein wird. Merkels Abteilungsleiter für die Außenpolitik, Christoph Heusgen, und für Wirtschaftsfragen, Lars-Hendrik Röller, waren Ende vergangener Woche für vorbereitende Gespräche in den USA. Das ist zwar üblich, aber nicht unbedingt auf so hoher Ebene. Freilich stehen weniger hochrangige potenzielle Besucher in Washington weiterhin vor dem Problem, dass viele Posten in der Administration noch nicht besetzt sind - ihnen also schlicht die Gesprächspartner fehlen.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2017
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