Diplomatie:Die Bomben regieren

Diplomatie: Auf Augenhöhe? Russlands Außenminister Lawrow, sein US-Gegenpart Kerry und der UN-Syrienbeautrage de Mistura (v.l.n.r.) am Kopf des Tisches bei einem Treffen in Wien im Mai.

Auf Augenhöhe? Russlands Außenminister Lawrow, sein US-Gegenpart Kerry und der UN-Syrienbeautrage de Mistura (v.l.n.r.) am Kopf des Tisches bei einem Treffen in Wien im Mai.

(Foto: Leonhard Foeger/AP)

An eine politische Lösung des Bürgerkriegs glaubt kaum einer mehr. Dahinter steht auch die Uneinigkeit zwischen Russland und den USA.

Von Paul-Anton Krüger

Am 13. September beginnt in New York die UN-Generalversammlung. Sie galt lange als das Forum, um auf höchster Ebene eine diplomatische Lösung für Syrien zu vereinbaren, die nach mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg Frieden schafft. Vom 1. August an, so hatten es die UN-Veto-Mächte, wichtige EU-Länder und Regionalstaaten Ende 2015 in Wien unter der Führung der USA und Russlands vereinbart, sollte in Syrien der politische Übergang beginnen, ein Jahr später waren Wahlen unter UN-Aufsicht vorgesehen. Davon ist keine Rede mehr - derzeit ist nicht einmal sicher, ob die Friedensgespräche zwischen Regime und Opposition unter Vermittlung des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura in Genf überhaupt wieder aufgenommen werden.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der lange dafür geworben hat, Russland einzubinden, sprach am Wochenende aus, was alle wissen: "Wenn eine militärische Lösung gesucht wird, dann ist Genf gestorben", sagte er. Es müsse sofort eine Waffenruhe geben für die umkämpfte Stadt Aleppo und Hilfslieferungen für die laut UN geschätzt bis zu 300 000 Eingeschlossenen.

Der Ostteil der Stadt wird von Rebellen kontrolliert, gemäßigte unter ihnen von der Freien Syrischen Armee, aber auch radikale Islamisten. Und mutmaßlich auch wenige Hundert Kämpfer der als terroristisch eingestuften Fateh al-Sham, der Nachfolge-Organisation der Nusra-Front. Das Regime von Baschar al-Assads und Schiiten-Milizen unter iranischem Kommando, belagern diese Stadtteile; im Juli hatten sie nach schweren Kämpfen die letzte Versorgungsroute abgeschnitten. Die russische Luftwaffe unterstützt die Angriffe. Viele der Bomben treffen Zivilisten, Wohnhäuser, Märkte, Bäckereien, Krankenhäuser.

Deutlicher noch als Steinmeier wurde US-Präsident Barack Obama: "Ich bin mir nicht sicher, dass wir den Russen und Wladimir Putin trauen können, daher müssen wir sie testen", sagte er. Moskaus Vorgehen werfe "sehr ernste Fragen auf", ob es die Waffenruhe wiederherstellen und zu einer Verhandlungslösung beitragen wolle. Außenminister John Kerry hatte seinem Kollegen Sergeij Lawrow die lange geforderte weitreichende Militärkooperation in Syrien angeboten - dafür müssten aber Luftangriffe auf Rebellen aufhören, die von der Waffenruhe umfasst sind. Moskau hatte argumentiert, die USA müssten Daten liefern, welche Rebellen nicht bombardiert werden sollten und wo sich Nusra aufhalte.

Die USA scheuen zurück, sich stärker zu engagieren

Russlands Präsident hatte die Intervention in Syrien damit begründet, dem Terrorismus Einhalt bieten zu müssen - macht sich aber Assads Lesart zu eigen, dass die gesamte bewaffnete Opposition Terroristen sind. Aus Moskau hieß es, Vertrauen könne nur hergestellt werden, wenn Washington bilaterale Themen "ehrlich" und "verantwortungsbewusst" angehe. Die USA seien weit davon entfernt, stets auf Augenhöhe mit Russland zu verhandeln, klagte Vize-Außenminister Sergeij Riabkow. Im Westen sehen viele Verantwortliche darin eine Verzögerungstaktik, um in Aleppo militärisch Tatsachen zu schaffen. Gelände von den Rebellen zurückzugewinnen sei Assads Priorität und auch die der Russen, sagt ein Nachrichtendienstler, der die Lage beobachtet. Obama ließ zugleich erkennen, dass er kaum Optionen in Syrien sieht und sich nicht stärker engagieren wird: Ein Scheitern der Friedensgespräche werde nur dazu führen, dass Syrien noch tiefer im Krieg versinke, sagte er.

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