Diplomatie: Bei Trump, Erdoğan, Le Pen müssen sich deutsche Politiker einmischen

Diplomatie: Frank-Walter Steinmeier hat Donald Trump öffentlich als "Hassprediger" kritisiert.

Frank-Walter Steinmeier hat Donald Trump öffentlich als "Hassprediger" kritisiert.

(Foto: AP)

Steinmeier beschimpft Trump als "Hassprediger" - immerhin. Kanzlerin Merkel sagt zu häufig zu wenig.

Kommentar von Kurt Kister

Frank-Walter Steinmeier ist kein Mensch, dem man vorwerfen könnte, er rede gerne mal schnell aus dem Bauch heraus. Nein, den Gabriel macht Steinmeier nie, im Gegenteil: Manche, die den Außenminister im offiziellen Gespräch erlebt haben, verspürten den Drang, seine Sätze zu beenden, weil er zwischen Subjekt und Prädikat so lange nachdachte.

Wenn also Steinmeier den Kandidaten Donald Trump einen "Hassprediger" nennt oder sich damit zitieren lässt, dass ihm beim Gedanken an einen Präsidenten Trump "echt bange" werde, dann ist das wohlbedacht und genau so gemeint.

Darf der deutsche Außenminister, wie das manche Leute formulieren, sich dergestalt in den amerikanischen Wahlkampf einmischen?

Ja, das darf er. Zwar sollten Amtsträger einer Regierung grundsätzlich keine öffentlichen Sympathien für die eine oder andere Seite im Wahlkampf eines bedeutenden oder wenigstens beachteten Landes kundtun. "Grundsätzlich" aber bedeutet, dass es Ausnahmen gibt.

Trump ist so eine Ausnahme, weil er sich mit vielen seiner Aussagen außerhalb jenes Wertekonsens' stellt, der, bei allen kulturellen Unterschieden, die Gemeinsamkeiten innerhalb des Westens begründet. Er fragt, warum die USA keine Atomwaffen einsetzen, wo man sie doch hat; er redet der Folter das Wort; er denunziert mexikanische Immigranten als Vergewaltiger; er ruft die Russen dazu auf, Hillary Clinton auszuspionieren. Zwar ist Trump kein Gewalttäter, aber sein Geschwätz ist gewalttätig.

Bringt es etwas, sich deutlich über Erdoğan zu äußern? Ja, durchaus

Natürlich bewirken Steinmeiers Worte bei einem wie Trump nichts. Er wird sie vielleicht mit ein paar verächtlichen Bemerkungen in irgendeine Wahlrede einbauen und seine Anhänger zum Johlen bringen. Aber sie richten sich auch nicht an Trump, sondern an die heimische, an die europäische und an die deutsche Szenerie.

Der Außenminister, der mit bereits amtierenden politischen Problembären von Putin über Poroschenko bis Erdoğan eher zurückhaltend verfährt, macht wenigstens mit seiner eindeutigen Bewertung Trumps klar, dass der für etwas steht, wofür weder Steinmeier noch die Bundesregierung stehen.

Das ist wichtig und richtig, so wie es richtig und wichtig wäre, zum Beispiel gegen eine Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen in Frankreich Position zu beziehen. Neonationalistische Politik mit mehr als nur einem Hang zum Autoritarismus ist nicht nur ein "normales" Problem der politischen Debatte; sie gefährdet vielmehr den liberalen Rechtsstaat.

Weil das so ist, ist es richtig, manche überkommene Tradition in der Diplomatie zu überdenken. Die Bundeskanzlerin argumentiert gerne, dass es doch nichts "bringe", wenn sie zum Beispiel eine deutliche Meinung über Erdoğan äußere. Nein, Erdoğan wird sich genauso wenig deswegen ändern, wie sich Trump wegen Steinmeier ändert. Aber wenn man zu häufig zu wenig sagt, dann erweckt dies den Eindruck, man fürchte sich oder sei gar irgendwie einverstanden. Und das "bringt" noch weniger, es schadet sogar.

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