Süddeutsche Zeitung

Digitalpakt für Schulen:Nachsitzen

Im Streit um den Digitalpakt lehnen die Länder eine Änderung des Grundgesetzes ab. Aber darüber, was sie in Verhandlungen mit dem Bund erreichen wollen, müssen sie sich noch einigen.

Von Paul Munzinger

Im Streit um den "Digitalpakt Schule" haben alle 16 Bundesländer überraschend einmütig klargestellt, was sie nicht wollen: das Grundgesetz so ändern, wie es der Bundestag beschlossen hat. Jetzt müssen die Länder eine deutlich schwierigere Frage klären: was sie wollen. Setzen sie sich dafür ein, die gesamte Verhandlung noch einmal aufzumachen? Oder sollen nur Teile neu diskutiert werden? Von dieser Entscheidung wird der weitere Gang der Verhandlungen maßgeblich abhängen - und damit auch die Frage, wann und ob die fünf Milliarden Euro tatsächlich an den Schulen ankommen.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) bekannte sich am Donnerstag ausdrücklich zum Digitalpakt und sprach sich für dessen "zügige Inkraftsetzung" aus. Das hatten tags zuvor auch die Regierungschefs der Länder getan. Wie es in einem Beschlussprotokoll vom Mittwoch heißt, seien die damit verknüpften Änderungen des Grundgesetzes aber "nicht der richtige Weg". Man beabsichtige daher, in der Bundesratssitzung vom 14. Dezember den Vermittlungsausschuss anzurufen - "mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung". Was das konkret heißt, müssen die Länder nun als Arbeitsauftrag an den Vermittlungsausschuss formulieren. Es ist nicht auszuschließen, dass die Länderallianz darüber schon wieder zerbricht.

Denn so einmütig der Widerstand ist - die Ablehnung der Länder reicht unterschiedlich weit. Wogegen alle 16 aufbegehren, ist das sogenannte Zusätzlichkeitskriterium. Dieser Regelung zufolge sollen die Länder Finanzhilfen des Bundes "in mindestens gleicher Höhe ergänzen". Jeder Euro aus Berlin müsste mit einem Euro aus München oder Erfurt aufgewogen werden. Den Digitalpakt würde die Regelung gar nicht betreffen, da sie erst von 2020 an greifen soll. Dann aber, so warnte am Donnerstag Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD), würde sie genau solche Programme wie den Digitalpakt unmöglich machen.

Die Einigkeit der Länder endet bei der Frage, ob der Digitalpakt überhaupt an eine Grundgesetzänderung geknüpft werden muss. Vom Bundestag beschlossen ist ja nicht nur die berüchtigte Eins-zu-Eins-Regelung, sondern auch weitreichende Änderungen des Artikels 104 c. Der setzt Finanzhilfen des Bundes bislang enge Grenzen, die häufig vereinfachend "Kooperationsverbot" genannt werden. Künftig aber soll Berlin sich "zur Sicherstellung der Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungswesens" einbringen dürfen. Von dieser Änderung, die deutlich weiter geht als ursprünglich geplant, hatten Grüne und FDP im Bundestag ihre Zustimmung abhängig gemacht.

Muss Artikel 104 c geändert werden? Ja, sagt das CDU-geführte Bildungsministerium. So stehe es im Koalitionsvertrag, an dem auch viele Ministerpräsidenten mitgewirkt hatten. Ja, sagt SPD-Chefin Andrea Nahles, "die Abschaffung des strikten Kooperationsverbots" bleibe das wichtigste Ziel. Muss sein, sagen auch die SPD-geführten Bundesländer.

Muss nicht sein, sagt dagegen etwas ungehalten Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident. Ein Kooperationsverbot gebe es nicht, das Grundgesetz biete sehr wohl Möglichkeiten, den Geldfluss in Gang zu bringen. Kretschmann - und mit ihm die Unions-Ministerpräsidenten von Bayern bis Nordrhein-Westfalen - verweist auf Artikel 106, der die Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern regelt. Andere bringen auch Artikel 91c als mögliches Vehikel ins Spiel - er erlaubt Bund und Ländern, bei der Errichtung von "informationstechnischen Systemen" zusammenzuarbeiten.

Bildungsministerin Anja Karliczek signalisierte schon am Mittwoch die Bereitschaft, über die 50-50-Regelung noch einmal zu verhandeln. Wenn diese das Problem sei, dann müsse man darüber reden, könne "alles andere" aber womöglich auf den Weg bringen - sprich: den Digitalpakt. Die Länder hingegen erwecken derzeit den Eindruck, noch einmal aufs Ganze gehen zu wollen: Es gelte nun, teilten die Kultusminister am Donnerstag mit, "alle verfassungsrechtlichen Möglichkeiten auszuloten".

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SZ vom 07.12.2018
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