Süddeutsche Zeitung

Digitaler Parteitag:Und für jeden eine CDU-Tasse

Corona-Testzentrum, Technik-Support, tonnenweise Bühnenmaterial: Der CDU-Parteitag erfordert eine ausgeklügelte Logistik.

Von Viktoria Spinrad, Berlin

"Und bitteschön", sagt der Mann in Hoodie und Turnschuhen und tritt zur Seite. Dramatische Trommelmusik setzt ein, Paul Ziemiak läuft schwingenden Schrittes los. Vorbei an der schwarzen Wand, über die graue Fläche, zwei Treppenstufen hoch auf die Bühne, wo die Moderatorin ihn erwartet. Ziemiak bleibt stehen, positioniert sich in Richtung Kamera. Geschafft!

Der zehnsekündige Clip mit dem Testlauf ist eines mehrerer Kurzvideos, die der Geschäftsführer der CDU in den vergangenen Tagen auf Instagram geteilt hat. Er zeigt, mit wie viel Akribie die Partei in den vergangenen Tagen an ihrem ersten digitalen Parteitag gearbeitet hat. Und wie groß die Angst ist, sollte die längst überfällige Veranstaltung nicht flutschen.

Die Fallhöhe ist gewaltig: Nach einem Jahr Hängepartie gilt es, den zukünftigen Chef und möglichen Kanzlerkandidaten zu bestimmen. Dass der nach mehreren Verschiebungen nun doch in einem virtuellen Format gewählt wird, ist eine Notlösung. Zugleich bedeutet es eine Logistik, die die Partei so noch nicht gesehen hat.

20 Tonnen Bühnenmaterial, 28 Männer alleine für die Lichttechnik, 30 Lautsprecher, 65 Quadratmeter LED-Wand, 120 Rechner, 250 Scheinwerfer, eigene Corona-Testfläche, Spürhunde, die vorab die Räumlichkeiten durchschnüffelten - die Logistik erinnert an ein Großkonzert. Und das, obwohl statt Tausender Menschen nur ein paar Dutzend Parteispitzen, Mitarbeiter und Techniker vor Ort in der Schaltzentrale sein werden.

Für jeden ein Päckchen mit Kerze und Ladegerät

Eine Woche lang haben Arbeiter im "Hub 27" der Berliner Messe geschleppt, geschraubt und sicherlich auch geflucht. Hier, wo sonst Reisefach- oder Foodmessen stattfinden, werden die drei Kandidaten an diesem Samstag in 15-minütigen Reden um die Gunst der 1001 Delegierten buhlen.

Die werden diese am heimischen Küchentisch oder vom Sofa aus verfolgen. Ausgestattet mit einem Survival-Package der Partei. Neben kreativen Aufmerksamkeiten wie einer herzförmigen Kerze, einer CDU-Tasse und einem kabellosen Ladegerät enthält diese den Schlüssel zur Teilnahme: die individuellen Zugangsdaten zum digitalen Plenarsaal. Einem virtuellen Raum, in dem die Partei an diesem Samstag die Weichen für die nächsten Jahre stellen will.

Damit das gelingt, helfen 25 Mitarbeiter bei Wortmeldungen und Zuschaltungen; 50 weitere im Technik-Support. Eine entsprechende Hotline ist seit vergangenem Samstag für alle Delegierten freigeschaltet. Auf dass alles geschmeidig über die Bühne geht, wenn der Tagungspräsident an diesem Samstag zur Wahl aufruft und sich die virtuelle Tür zur eigenen digitalen Wahlkabine öffnet.

In den vergangenen vier Tagen konnten sich die Delegierten bereits testweise in den virtuellen Plenarsaal einloggen. Was mancher zum Anlass nahm, einen fröhlichen Schnappschuss aus dem "Inneren" des digitalen Plenarsaals zu posten. Zum Unmut der Organisatoren: Denn die Plattform, auf der das Ganze stattfindet, soll streng geheim bleiben. Zu groß ist die Angst, dass Hacker sich am Parteitag zu schaffen machen und die Wahl kapern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5176174
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/Hohmann
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.