Süddeutsche Zeitung

Digitale Verwaltung:Von Estland lernen

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Deutschland schwächelt beim Aufbau der digitalen Verwaltung, 18 Länder der EU sind da schon weiter. Nun liegt ein Plan vor, wie das geändert werden kann. Das würde in fünf Jahren 1,7 Milliarden Euro kosten - gar nicht so teuer.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die deutsche Verwaltung gilt in vielen Ländern als Vorbild. Wenn es etwa darum geht, eine funktionierende Finanzbürokratie in Griechenland aufzubauen, sind die deutschen Verwaltungsexperten gefragt. Doch nach Einschätzung des Normenkontrollrates (NKR) ist diese Vorbildstellung in hoher Gefahr. In Sachen Digitalisierung nämlich versage der Apparat kläglich. E-Government - wie der Fachausdruck für eine digitalisierte Verwaltung lautet - komme in Deutschland viel zu langsam voran, urteilt der Vorsitzende des Rates, Johannes Ludewig.

Tatsächlich ist die Bundesrepublik in den internationalen Ranglisten über den Grad der Digitalisierung der Verwaltung nach unten abgerutscht. Im E-Government Survey der Vereinten Nationen reicht es gerade noch für Platz 21 (vorher: 17). Im Digitalisierungs-Ranking der EU-Kommission belegt Deutschland in Sachen moderne Verwaltung Platz 19. "Das ist hinter Italien und vor Zypern - ein Platz, der gewöhnlich nicht akzeptiert wird", sagt Ludewig und verweist auf Österreich, das der Bundesrepublik bei der digitalisierten Verwaltung zehn Jahre voraus sei. "Von Estland ganz zu schweigen."

In einem am Dienstag veröffentlichten Gutachten legt der NKR jetzt einen Generalplan vor, wie sich die deutsche Verwaltung am schnellsten auf den Weg in das neue digitale Zeitalter machen kann. Im Zentrum der Empfehlungen steht eine deutlich intensivere Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Das derzeit gültige Prinzip, wonach vor Ort jeder selbst entscheidet, müsse zurücktreten, heißt es in dem Bericht. "Es geht darum, eine gemeinsame Plattform zu entwickeln und diese Dinge gemeinsam anzugehen", sagt Ludewig. Dort könne gemeinsam besprochen und entwickelt werden, wie eine moderne Verwaltung aussehe und wie sie erreicht werde.

Ein Digitalisierungsprogramm würde 1,7 Milliarden Euro in fünf Jahren kosten

Die Kosten für das Digitalisierungsprogramm für die Verwaltung sind überschaubar. Nach Ludewigs Worten geben Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr 13 Milliarden Euro für IT-Systeme aus. Eine vollständige Digitalisierung der wichtigsten Verwaltungsbereiche würde aber innerhalb von fünf Jahren lediglich 1,7 Milliarden Euro kosten.

Zentrale Änderungen können nach Worten des NKR-Chefs schnell bewältigt werden. So könnten alle Melderegister einheitlich verwaltet werden. Möglich sei es auch, den Umgang mit dem Bafög zu harmonisieren, das derzeit über drei unterschiedliche Systeme läuft. "Denkbar sind sogar ganz automatisierte Verfahren, etwa ein antragsloses Kindergeld wie in Österreich."

Laut Studie soll sich die Digitalisierung streng an den Nutzern orientieren. Dabei gehe es zum einen um die Zufriedenheit der Bürger und Unternehmer, aber auch um die der Verwaltungsmitarbeiter. Nur wenn viele Menschen die Veränderungen akzeptierten und guthießen, könne es auch zu Kosteneinsparungen kommen, die durch die Umstellung möglich seien.

Ludewig sprach sich dafür aus, das Thema in die Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich einzufügen. "Dort könnte besprochen und entwickelt werden, was für Veränderungen für eine moderne Verwaltung notwendig sind und wie sie erreicht werden können."

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SZ vom 15.06.2016
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