70 Millionen Männer unter Waffen, davon 13,2 Millionen aus Deutschland: die Rahmendaten des Ersten Weltkriegs. Es waren die Großväter, Urgroßväter und Ururgroßväter der heute lebenden Generationen, die in den Schützengräben Frankreichs kämpften, im Gebirgskrieg in den Dolomiten und an der Front in Ostpreußen. Doch viel mehr als einen Namen kennen Angehörige häufig nicht. Wenn sie mehr wissen wollen, müssen sie sich in Datenbanken und Archiven auf Spurensuche begeben - und das ist dank der Digitalisierung deutlich leichter geworden.
Schon Basisdaten wie Geburts- und Todestage reichen aus, um etwas herauszufinden. So bietet zum Beispiel der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der die Gräber deutscher Soldaten im Ausland pflegt, auf seiner Website die Möglichkeit, nach den Grabstätten von Gefallenen beider Weltkriege zu suchen. "Unser Bestand zum Ersten Weltkrieg umfasst Angaben zu etwa 800 000 Toten", sagt Volksbund-Sprecher Fritz Kirchmeier. Darunter finden sich Geburts- und Sterbetag sowie -ort, Dienstgrad und Lage des Grabes. Allerdings sind die Datensätze nicht immer vollständig. "Wir bemühen uns aber nach wie vor, fehlende Daten zu ergänzen", sagt Kirchmeier.
Erster Weltkrieg:Wahnsinn Westfront
Bald nach Kriegsbeginn 1914 erstarrte die Westfront. Von der Kanalküste bis zur Schweizer Grenze gruben sich die Deutschen ein, ebenso Franzosen, Briten und deren Verbündete auf der anderen Seite. Was folgte, war ein Novum: Der Einsatz von Giftgas, Panzern und Artillerie tötete Hunderttausende.
Eine erst seit kurzem digital erschlossene Quelle sind die Verlustlisten aus dem Ersten Weltkrieg. Es handelt sich um die offiziellen Mitteilungen über Tote, Verwundete, Vermisste und Gefangene, die in zeitungsähnlicher Form erschienen sind. Dass die 31 000 Seiten mittlerweile online nach Namen durchsucht werden können, ist einer Initiative des Vereins für Computergenealogie zu verdanken. "Die Listen lagerten an unterschiedlichen Orten, waren nicht elektronisch erfasst und deshalb für die Ahnenforschung kaum nutzbar", sagt Vorstandsmitglied Jesper Zedlitz aus Kiel.
Die Idee des Vereins: Wenn möglichst viele Freiwillige jeweils einen kleinen Teil der Informationen in eine Datenbank eingeben, lässt sich der enorme Bestand auf relativ einfache Weise erschließen. Ende 2011 startete das Projekt, bisher halfen knapp 700 Freiwillige mit. Etwa drei Viertel der Listen sind mittlerweile erfasst", sagt Zedlitz. Auf ähnliche Weise wird "Denkmalprojekt" mit Daten gefüttert: Fotos von Gefallenendenkmälern sowie Gedenkbücher und Verlustlisten können eingereicht werden, die Daten werden gesammelt und online abrufbar gemacht.
105-jährige Zeitzeugin:Was die Schülerin Trudl vom Ersten Weltkrieg mitbekam
Kaiser Wilhelm II. herrscht über die Deutschen, als Gertrud Dyck 1908 in Berlin geboren wird. Sie kommt in die Schule, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Ist Mutter, als der Zweite Weltkrieg tobt. Eine 105-Jährige erinnert sich.
Wer weitere Details über das Schicksal seiner Vorfahren im Ersten Weltkrieg erfahren will, kann sich in den Archiven auf die Suche machen. Allerdings klafft im Dokumentenbestand eine gewaltige Lücke. Bei der Zerstörung des Heeresarchivs in Potsdam 1945 wurden unter anderem die Akten der Preußischen Armee vernichtet, die im Ersten Weltkrieg den Großteil der deutschen Truppen stellte. Darunter waren auch die Personalakten der Soldaten. "66 Kilometer Akten sind damals verbrannt", sagt Thomas Menzel, Referatsleiter im Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg.
Trotzdem sei eine Anfrage beim Militärarchiv sinnvoll, sagt der Historiker: Das Bundesarchiv verwahrt nämlich die Lazarettakten der Geburtsjahrgänge bis 1899 - von den Jahrgängen 1891 bis 1899 existieren allerdings nur noch die Geburtsmonate Januar und Juli. Die entsprechenden Unterlagen aller ab 1900 Geborenen lagern in der Deutschen Dienststelle in Berlin, die vor allem Informationen über Teilnehmer des Zweiten Weltkriegs archiviert hat.
Auch ein Teil der Regimentsunterlagen lagert im Freiburger Bundesarchiv. In den Kriegstagebüchern wurde Tag für Tag verzeichnet, wo sich die Einheit befand, und was sich ereignete. Sie können im Archiv eingesehen oder in Kopie angefordert werden. Eine weitere mögliche Anlaufstelle für die Suche nach Informationen ist das Stadtarchiv am Heimatort des Vorfahren. "Die Soldaten meldeten sich zum Teil dort ab, wenn sie eingezogen wurden", so Menzel.
Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914:Als die Welt brannte
Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg, der das alte Europa einstürzen ließ. Dem Gemetzel ging das Machtgerangel auf dem Balkan voraus. Jenseits der Großreiche von Kaiser, Zar und Sultan konkurrierten dort junge Nationalstaaten. Kein Wunder, dass sich ein Krieg entzündete - ausgelöst durch die Schüsse auf den österreichischen Thronfolger.
Deutlich besser als für Preußen ist die Datenlage für Angehörige der Streitkräfte aus Bayern, Sachsen und Württemberg sowie für die badischen Truppen innerhalb der preußischen Armee. Ansprechpartner sind die Archive in München, Leipzig, Stuttgart und Karlsruhe. Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv lagern beispielsweise 23.000 Bände der sogenannten Kriegsstammrollen der königlich bayerischen Armee. Sie enthalten nicht nur Informationen über die Soldaten, ihre Einsatzorte, Truppengattungen oder Verletzungen, sondern auch über deren Angehörige.
Die Daten sind mittlerweile vollständig digitalisiert und können gezielt nach bestimmten Namen durchsucht werden. Das Münchner Archiv kooperierte dafür mit dem kommerziellen Anbieter Ancestry. Das Unternehmen, das sich auf Dienstleistungen zur Ahnenforschung im Internet spezialisiert hat, erfasste sämtliche Daten, die nun gegen Bezahlung im Netz recherchiert werden können.
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Liegen die Dokumente vor, ist die Spurensuche noch nicht zu Ende. Denn die Berichte und Formulare seien für Laien nicht leicht zu lesen, sagt Archivar Thomas Menzel. Oft werden Abkürzungen verwendet, die handschriftlichen Aufzeichnungen sind möglicherweise nur mühsam zu entziffern. Trotzdem stellt Menzel seit einigen Jahren ein wachsendes Interesse der Deutschen an den Dokumenten zu ihren Vorfahren fest: "Die Zahl der Anfragen an das Militärarchiv zur Zeit von 1849 bis 1945 steigt momentan pro Jahr um 20 Prozent."
Linktipps:
Das Bundesarchiv - Abteilung Militärarchiv
Projekt Verlustlisten Erster Weltkrieg
Informationen zu den Beständen des Bayerischen Kriegsarchivs
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