Digital-Staatsministerin Dorothee Bär:"Damit Drive reinkommt"

Fachkongress Digitaler Staat

Staatsministerin Dorothee Bär beim Fachkongress Digitaler Staat

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Bei einem ihrer ersten Auftritte als Staatsministerin für Digitales spricht Dorothee Bär über das geplante Bürgerportal. Es verspreche eine "Revolution in der Verwaltung".
  • Ihr Vortrag trägt Züge einer routinierten Kabinenansprache - mit klarer Botschaft: Die Zeit drängt.
  • Bär will, dass jeder Bürger in den kommenden vier Jahren konkrete Verbesserungen in seinem Alltag spürt.

Von Christian Gschwendtner, Berlin

Ein kleiner Seitenhieb auf den Veranstalter muss erlaubt sein. Dorothee Bär steht auf der Bühne des Berliner Fachkongresses zur digitalen Verwaltung. Sie wird gleich ihre erste offizielle Rede als Staatsministerin im Kanzleramt halten. Als Thema hat sie sich den digitalen Staat vorgenommen. Zumindest behauptete das der Kongressleiter bei seiner Begrüßung. Stimmt nicht, sagt Bär: "Sie haben es vorgegeben." Dann schaut sie streng hinunter in die erste Reihe zum Kongressleiter.

Ganz ungelegen kommt Dorothee Bär der Fachkongress trotzdem nicht. Sie will dringend den Eindruck zerstreuen, der sich nach ihrem ersten Fernsehinterview im neuen Amt aufgedrängt hatte. Nämlich dass hier jemand vor lauter Visionen das Regierungs-Kleinklein aus den Augen verloren haben könnte. Ein Vortrag vor Verwaltungsexperten ist dafür eine gute Gelegenheit. Zumindest ist es eher unwahrscheinlich, dass wieder nur "Flugtaxi" hängen bleibt. So wie neulich beim Interview im "Heute Journal".

Am Dienstagmorgen erwähnt die Staatsministerin das Wort nur einmal. Um zu sagen, dass es heute nicht um Flugtaxis gehen soll. Bär will stattdessen die etwas handfesteren Projekte der neuen Regierung vorstellen. Und diese seien auch schon ambitioniert genug.

Besonders wichtig ist ihr das neue Bürgerportal. Wenn es demnächst kommt, werde es eine wahre Revolution in der Verwaltung auslösen, da ist sich Dorothee Bär sicher. Die Bürger könnten dann alle Kontakte mit dem Staat bequem übers Internet abwickeln. Zumindest müsse niemand mehr drei Monate lang auf einen Termin in irgendeinem Amt warten, nur um Kindergeld zu beantragen. "Das ist auch für die Menschen außerhalb von Berlin ein Segen", sagt Bär.

Der Moment, als die Zuhörer nicken

Und trotzdem: Es geht an diesem Tag nicht nur um Inhalte. Der Vortrag trägt Züge einer routinierten Kabinenansprache - wie man es von Fußballtrainern vor entscheidenden Spielen kennt. Die Botschaft ist klar: Die Zeit drängt, der digitale Wandel ist rasant.

Im Saal vor ihr sitzen gleich mehrere Beamte aus anderen Ministerien und eine ganze Reihe Bundestagsabgeordnete. Nicht nur sie dürften sich angesprochen fühlen. Bär sagt, dass es mit der Digitalisierung in Deutschland einfach nicht schnell genug vorangehe. Man hinke immer mindestens eine Legislaturperiode hinterher. Es ist der Moment, in dem einzelne Zuhörer im Publikum verhalten nicken.

Hier spricht die neue Internet-Chefbeauftragte

Eigentlich sind die Erwartungen an die neue Regierung beim Thema Digitalisierung schon groß genug. Aber Dorothee Bär setzt mit ihrem Auftritt noch mal deutlich einen drauf: Jeder Bürger solle in den nächsten vier Jahren konkrete Verbesserungen in seinem Alltag spüren. So lautet der Wunsch von Dorothee Bär - er klingt wie ein Befehl an die eigene Regierungsmannschaft.

Damit es auch wirklich zügig vorangeht, soll Bär 30 neue Stellen im Kanzleramt bekommen, das war neulich zu hören. Ein gewaltiger Zuwachs, wenn man bedenkt, dass sie formal nur das Amt einer Staatssekretärin ausübt. Bär geht darauf nicht näher ein. Die Zuhörer wissen auch so: Hier spricht die neue Internet-Chefbeauftragte der Bundesregierung.

Es ist eine Chefbeauftragte, die sich auch mehr Wettbewerb zwischen den Behörden wünscht. In den Bundesländern, aber auch in den Kommunen. Eine neue Agentur soll dafür die nötigen Bedingungen schaffen. Und weitere Anreize sollen aus der Start-up-Welt hinein. "Damit Drive reinkommt", sagt Dorothee Bär.

Nicht allen im Publikum ist das sofort geheuer. Zur Sicherheit blickt Bär am Ende der Rede noch mal kurz zum Kongressleiter rüber. Sie sagt, dass es doch schön sei, dass man inzwischen nur noch über das Wie spreche. Und nicht mehr über das Ob. Der Kongressleiter hat die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Zum Abschied gibt es noch Blumen, dann ist die Staatsministerin auch schon wieder weg.

Die Warnung erreicht die Digitalexpertin nicht mehr

Der nächste Redner auf der Bühne ist enttäuscht. Er hat sich fest vorgenommen, die neue Digitalexpertin der Regierung zu warnen. Zum Beispiel davor, sich zu sehr von schwer angesagten Technologien wie künstlicher Intelligenz blenden zu lassen. Oder sich die Agenda zu sehr von Beratungsunternehmen diktieren zu lassen.

Bär hört all das nicht mehr. Aber kurz bevor der Mann mit seinem Vortrag fertig ist, erscheint ein neuer Beitrag auf ihrer Instagram-Seite. Man sieht Fotos von ihrer Rede. Und einen Zusatzkommentar: "Digitalisierung bringt unser Land voran und bewirkt Positives für jeden Einzelnen."

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