SPD-Wahlkampf:Kanzler unerwünscht

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Gemeinsam auf Tour: Olaf Scholz und Dietmar Woidke im Braunkohlegebiet der Lausitz, das war allerdings im Jahr 2019. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke will im Wahlkampf keinen Auftritt mit Olaf Scholz. Er sei froh, wenn er von dieser Regierung mal nichts höre. Der Kanzler geht nun auf eine eigene Solo-Tour.

Von Georg Ismar, Valerie Höhne, Berlin

Im Europawahlkampf hat sich Olaf Scholz noch überall plakatieren lassen, obwohl der Kanzler gar nicht zur Wahl stand. Aber die SPD glaubte an seine Zugkraft. Das Ergebnis lautete am Ende 13,9 Prozent, ein neuer Tiefstwert bei einer bundesweiten Wahl. Es folgte eine unerquickliche Sommerpause mit neuem Haushaltstheater.

Dietmar Woidke muss von alledem derart genervt sein, dass sich der Ministerpräsident Auftritte mit Olaf Scholz im brandenburgischen Wahlkampf verbittet. Dabei hat der Kanzler hier seinen Wahlkreis und wohnt mitten im Zentrum Potsdams. Er hätte es nicht weit zu Auftritten mit Woidke. Auf die Frage, ob er gemeinsame Auftritte mit Scholz plane, sagte Woidke nun aber dem Handelsblatt: „Nein. Die Brandenburger SPD hatte immer das Glück, auf starke eigene Führungspersönlichkeiten setzen zu können.“

Man habe sieben Landtagswahlen gewonnen – und wolle auch die achte gewinnen. Woidke hat betont, als Ministerpräsident nur erneut zur Verfügung zu stehen, wenn die SPD stärkste Kraft wird. „Wenn ich gegen die AfD verliere, bin ich weg.“ Überall im Lande ist er plakatiert, ein Slogan lautet: „Wer Woidke will, muss SPD wählen.“

„Hilfe heißt ja helfen“, ätzt der Ministerpräsident

Als er nun gefragt wurde, ob er denn gar keine Bundeshilfe brauche, antwortete der knorrige Woidke: „Hilfe heißt ja helfen.“ Er sei noch jemand, der jeden Morgen Radio höre. „Und da bin ich teilweise schon erschüttert. Manchmal bin ich wirklich froh, wenn ich von der Bundesregierung mal ein paar Tage nichts höre.“

Der Diplomagraringenieur ist seit 2013 Ministerpräsident und hat mit der Ansiedlung des Autobauers Tesla und der Milliardenförderung für den Strukturwandel im Braunkohlerevier der Lausitz einige Zukunftsweichen stellen können. Aber in der jüngsten Insa-Umfrage liegt die AfD bei 24 Prozent, die SPD bei 20, die CDU bei 19 und das Bündnis Sahra Wagenknecht bei 17 Prozent.

Auch hier dominiert stark das Thema Krieg und Frieden im Wahlkampf. Scholz‘ Entscheidung, dass ab 2026 wieder weitreichende US-Raketen zur Abschreckung Moskaus auf deutschem Boden stationiert werden sollen, macht es den SPD-Wahlkämpfern im Osten noch mal schwerer. In Sachsen und Thüringen, wo am 1. September neue Landtage gewählt werden, können im schlimmsten Fall alle drei Ampelparteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, Brandenburg hingegen ist eine der wenigen verbliebenen SPD-Hoffnungen, wegen des weiterhin beliebten Woidke, der die Wahl nun zu einer Personenwahl macht.

Friedensverhandlungen mit Moskau?

Er versucht sich an einem maximalen Abgrenzungskurs. Woidke fordert auch konkrete Verhandlungen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. „Soll er so lange weitergehen, bis Putin nicht mehr Präsident ist? Irgendwann wird es Verhandlungen geben müssen, damit dieser Krieg endet.“ Die deutsche Außenpolitik sollte hier einen Beitrag leisten, Woidke betont zugleich, dass es eine unabhängige und freie Ukraine geben müsse.

Im Willy-Brandt gibt es keine konkrete Antwort auf die Frage, was man von Woidkes Solo ohne Kanzler halte. Es gehe ja in der Zuspitzung des Wahlkampfs „vor allem um Landesthemen und darum, die Demokratiefeinde der AfD zurückzudrängen“, sagt die Parteisprecherin lediglich. Allerdings warb zum Beispiel die nordrhein-westfälische SPD bei der Landtagswahl 2022 sogar mit dem Kanzler zusammen mit Spitzenkandidat Thomas Kutschaty auf Großplakaten, der Slogan: „Gemeinsam für NRW und Deutschland.“ Aber da standen Ampel und Kanzler auch noch höher im Ansehen.

Die Brandenburger SPD versucht, die Aufregung herunterzuspielen. „Brandenburgs Ministerpräsidenten haben ihre Wahlkämpfe immer aus eigener Kraft gestaltet. Bei der Landtagswahl geht es um Brandenburg“, sagt Generalsekretär David Kolesnyk und verweist darauf, dass Scholz als Brandenburger Bundestagsabgeordneter eine eigene Tour plane. So besucht der Kanzler vom 22. bis 24. August unter anderem das Hasso-Plattner-Institut, eine ADAC-Straßenwacht, eine Molkerei und ist bei einem Ehrenamtsempfang in einem Anglerheim dabei – aber immer ohne Dietmar Woidke.

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen diskutiert die SZ am 11. September im Münchner Künstlerhaus über die Stärke populistischer Parteien und den Zustand der deutschen Einheit. Gesprächspartner sind die Dramatikerin und Essayistin Anne Rabe („Die Möglichkeit von Glück“) und der Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk („Freiheitsschock – Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute“). Karten gibt es hier.

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