Brandenburg:Ein Ministerpräsident und viele Fragen

Lesezeit: 3 Min.

Dietmar Woidke (SPD) ist als Ministerpräsident wiedergewählt, er  führt das Land Brandenburg seit 2013. (Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)

Dietmar Woidke wird im zweiten Wahlgang mit 50 Stimmen gewählt - vier Stimmen mehr, als die Koalition aus SPD und BSW Abgeordnete hat. Zwei Drittel der Brandenburger sehen das Bündnis kritisch.

Jan Heidtmann, Potsdam

In Deutschland wird erstmals ein Bundesland unter Beteiligung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) regiert. Neuer und alter Ministerpräsident ist Dietmar Woidke, SPD. Der 63-Jährige wurde am Mittwoch im Landtag in Potsdam zum Regierungschef der Koalition aus SPD und BSW ernannt. „Heute ist der Tag, wo die Arbeit so richtig beginnt. Ich bin froh, dass wir in stabilen Verhältnissen sind“, sagte Woidke. Das Ergebnis der Wahl sei ein „Vertrauensvorschuss, der gerechtfertigt werden muss“. Woidke führt das Land Brandenburg seit 2013.

Zugleich ist es ein Vertrauensvorschuss, der einige Fragen aufwarf. Denn Woidke wurde im zweiten Wahlgang mit 50 Stimmen gewählt. Das sind vier Stimmen mehr, als seine Koalition aus SPD und BSW an Abgeordneten aufbringt. Da nach der Landtagswahl im Herbst nur die CDU und die AfD als Opposition im Landtag verblieben sind, müssen die überzähligen Voten von einer der beiden Parteien stammen.

Sowohl CDU als auch AfD streiten ab, für Woidke gestimmt zu haben

Doch sowohl die Christdemokraten als auch die extrem Rechten stritten eine Wahl Woidkes im Anschluss ab. Dietmar Woidke sei mit den Stimmen der AfD gewählt worden, behauptete CDU-Chef Jan Redmann in einer Sitzungspause. „Vor der Landtagswahl hat sich die SPD noch als Bollwerk gegen die AfD inszeniert und heute macht sie mit dieser Partei einen Kuhhandel um Stimmen.“

Eine Deutung der Wahl, der nicht nur Woidke widersprach, sondern auch der Fraktionschef der AfD, Hans-Christoph Berndt. „Von wem die SPD ihre Stimmen hat, kann sich jedes Kind an fünf Fingern abzählen: von der CDU.“ Die Ministerpräsidentenwahl ist eine geheime Wahl. Robert Crumbach, Vorsitzender des BSW in Brandenburg und neuer Finanzminister des Landes, bestritt ebenfalls die Interpretation des CDU-Chefs: „Ich glaube auch nicht, dass das stimmt.“ Crumbach sagte aber auch, „50 Ja-Stimmen sind 50 Ja-Stimmen. Das zählt“.

Bereits der erste Wahlgang an diesem Tag hatte Fragen aufgeworfen. Woidke hatten dabei zwei Stimmen zur Mehrheit gefehlt. 43 Abgeordnete hatten für ihn und 40 gegen ihn gestimmt, es gab zwei Enthaltungen und zwei ungültige Stimmen. Ein Abgeordneter der AfD fehlte krankheitsbedingt. „Es ist in heutigen Zeiten nicht mehr so selbstverständlich, dass Ministerpräsidentenwahlen im ersten Wahlgang durchgehen“, sagte Woidke. Das sei anders als noch vor zehn oder 20 Jahren. Tatsächlich gab es in Brandenburg noch keine Ministerpräsidentenwahl, die nicht im ersten Durchlauf gelungen ist.

Die Wahl Woidkes war mit einiger Spannung erwartet worden. Vor allem, da ein Abgeordneter des BSW bereits vor Tagen angekündigt hatte, nicht für Woidke stimmen zu wollen. Anlass ist die geplante Stationierung der Arrow-3-Raketenabwehr in Brandenburg. „Die holprige Wahl mit nur einer knappen Mehrheit zeigt deutlich, wie fragil die politische Lage in Brandenburg ist“, erklärte Hanna Große Holtrup, Co-Vorsitzende der Brandenburger Grünen. „Es wird in den nächsten fünf Jahren keine klare, stabile Regierung geben, sondern eine Koalition, die von Misstrauen und widersprüchlichen Interessen geprägt ist.“

Bei der Wahl im Herbst hatten es nur noch SPD, AfD, BSW und CDU in den Landtag geschafft. Ein Bündnis von SPD und BSW war dabei das einzige mit einer eigenen Mehrheit ohne Beteiligung der extrem Rechten. Ministerpräsident Woidke hatte daher schon wenige Tage nach der Wahl BSW-Chefin Sahra Wagenknecht in Berlin aufgesucht, um den Weg für Koalitionsgespräche zu ebnen. Bei den ersten Sondierungen einigten sich beide Parteien zudem auf mehrere Formulierungen zu einem verstärkten diplomatischen Engagement im Ukraine-Krieg. Diese entsprechen den Forderungen des BSW, wurden aber innerhalb der SPD-Bundespartei teils heftig kritisiert.

Woidke hatte dennoch an den Gesprächen mit dem BSW festgehalten. Bei der Vorstellung des Entwurfs für einen Koalitionsvertrag Ende November sagte er zwar, „wir wissen, dass es viele Vorbehalte“ gegenüber diesem Bündnis gebe. BSW-Landeschef Crumbach erklärte damals, die Arbeit am Koalitionsvertrag sei „nicht immer leicht“ gewesen. Auch die kommenden fünf Jahre „werden nicht immer einfach sein“. Trotzdem hatten die Mitglieder beider Parteien am vergangenen Freitag schließlich einstimmig für die Koalition von SPD und BSW votiert.

Unter den Brandenburgern sieht die Stimmung offenbar etwas anders aus. Nach jüngsten Umfragen im Auftrag des Senders RBB haben nicht nur SPD und BSW an Zustimmung verloren, sondern auch Dietmar Woidke selbst. Er bleibt zwar weiterhin der beliebteste Politiker des Landes, jedoch mit Einbußen. Der neuen Regierungskoalition selbst stehen demnach nicht einmal ein Drittel der Brandenburger positiv gegenüber, mehr als 60 Prozent sehen es äußerst kritisch. Selbst unter SPD-Sympathisanten überwiegen die Skeptiker. Einzig die Anhänger des BSW sprechen sich mit gut 80 Prozent mehrheitlich für die neue Regierungskoalition aus.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungBrandenburg
:Eine Demütigung für Dietmar Woidke war’s nicht

Kommentar von Jan Heidtmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: