Die Linke:Bartsch sieht "Blockade" bei Lötzsch und Ernst

Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch über die Querelen in seiner Partei, inhaltlichen Nachholbedarf und die Debatte um ein Comeback des Ex-Vorsitzenden Oskar Lafontaine.

Oliver Das Gupta

Dietmar Bartsch, Jahrgang 1958, stammt aus Mecklenburg-Vorpommern. Der langjährige Schatzmeister der Linken-Vorgängerpartei PDS ist Vertreter des pragmatischen Reformflügels seiner Partei. Das Amt des Bundesgeschäftsführers verlor er 2010 nach einem Konflikt mit dem damaligen Parteichef Oskar Lafonantaine. Bartsch ist stellvertretender Vorsitzender der Linken-Fraktion im Bundestag.

Die Linke - Dietmar Bartsch

Zählt zum Reformerflügel der Linken: Dietmar Bartsch

(Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Bartsch, es rumort derzeit gewaltig in der Linken. Können Sie erklären, was gerade in Ihrer Partei los ist?

Dietmar Bartsch: Die Linke ist in einer schwierigen Situation: Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie die Kommunalwahl in Hessen waren Niederlagen. Nun sind wir alle gefordert, die anstehenden Aufgaben anzugehen: die Verabschiedung eines Parteiprogramms im Herbst, die Landtagswahlen in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sowie langfristig die strategische und personelle Vorbereitung der Bundestagswahl 2013.

sueddeutsche.de: Das ist nicht der einzige Unruheherd: Es gibt Zerwürfnisse zwischen den Parteiflügeln, Zoff zwischen Landesverbänden und Parteiführung: Zuletzt drohte Sachsen-Anhalts Linken-Chef Matthias Höhn mit dem Rückzug aus dem Parteivorstand.

Bartsch: Ich rate allen zur verbalen Abrüstung. Manche Äußerungen der letzten Tage sind nicht gerade zielführend. Richtig ist: Wir müssen unsere Lage ehrlich und präzise analysieren - und dann Schlussfolgerungen ziehen. Die Auseinandersetzungen personeller Natur helfen uns überhaupt nicht.

sueddeutsche.de: Das Verhalten des Spitzenduos Gesine Lötzsch und Klaus Ernst erregt bei vielen Genossen Unmut. Haben Sie Verständnis für den Frust?

Bartsch: Fakt ist: Der Parteitag hat auf Vorschlag Gregor Gysis diese Führungsspitze gewählt. Beide sind bis zum nächsten Wahlparteitag gewählt. Bis dahin sollten wir uns auf die desaströse schwarz-gelbe Bundesregierung und deren unsoziale Zickzackpolitik konzentrieren...

sueddeutsche.de: ...und auf die Programmdebatte?

Bartsch: Klar, die Programmdebatte ist eine Herausforderung.

sueddeutsche.de: Dabei kracht es mitunter ganz gewaltig.

Bartsch: Moment: Es wird selbstverständlich debattiert, das ist auch gut so. Die Linke streitet kontrovers wie konstruktiv um ein Zukunftsprogramm. Wir können über die Programmdebatte unsere Partei attraktiv machen - insbesondere für junge Leute. Wenn die Programmdebatte allerdings auf eine denunziatorische Art und Weise geführt wird, werden wir das nicht schaffen.

sueddeutsche.de: Wäre es nicht originäre Aufgabe der Parteichefs, für ein konstruktives Klima zu sorgen?

Bartsch: Sicher. Da ist eine Führung gefragt, die dafür sorgt, dass dies zielorientiert, einladend und zukunftsfähig abläuft.

sueddeutsche.de: Verläuft denn die Programmdiskussion momentan so zielorientiert und einladend?

Bartsch: Im Moment gibt es in der Parteiführung eine gewisse Blockade. Das führt dazu, dass den Kreis- und Landesverbänden zu wenig Diskussionsangebote gemacht werden. Ein Ausdruck dessen ist der Brief der Kreisvorsitzenden, die diese Diskussion einfordern.

sueddeutsche.de: Finden Sie denn den Programmentwurf zufriedenstellend?

Bartsch: Es ist ein diskussionswürdiges Dokument, bei dem es auf dem Parteitag sicher Veränderungen geben wird.

sueddeutsche.de: Darin enthalten sind mitunter ziemlich orthodoxe Ansichten, mit denen Sie die Linke kaum regierungsfähig im Bund bekommen werden.

Bartsch: Das Grundsatzprogramm der Partei wird nicht mit Blick auf Regierungsfähigkeit geschrieben. Es soll vielmehr die Vision enthalten, wie wir uns die Gesellschaft und den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts vorstellen.

sueddeutsche.de: Ein Godesberger Programm der Linkspartei wird es also nicht geben?

Bartsch: Verstehen Sie mich nicht falsch: Selbstverständlich wollen wir Regierungsverantwortung übernehmen. Das sage ich laut und deutlich: Man muss regieren wollen, man muss regieren können und es müssen die politischen Voraussetzungen stimmen.

"Lafontaine wird sich weiterhin engagieren"

sueddeutsche.de: Ähnlich wie die Steuersenkerpartei FDP wurde die Linke thematisch recht eindimensional wahrgenommen: als die Anti-Hartz-IV-Partei. Welche Felder soll die Linke künftig beackern?

Oskar Lafontaine Comeback Linke

Zog sich von der bundespolitischen Bühne ins heimatliche Saarland zurück: Oskar Lafontaine

(Foto: dpa)

Bartsch: Wir waren nie nur die Anti-Hartz IV-Partei. Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit und die Friedenspartei. Aber wir brauchen sicherlich in der Gesundheitspolitik und in der Wirtschafts- und Finanzpolitik weiteren Substanzzuwachs. Wir benötigen ein konsistentes Gesamtangebot. Das bringt, so hoffe ich, die Programmdebatte.

sueddeutsche.de: So fröhlich ist das Miteinander in der Linken derzeit wahrlich nicht. Gregor Gysi denkt laut über eine Rückkehr von Oskar Lafontaine nach - in einer "Notsituation". Kann es solche Notsituationen geben?

Bartsch: Das ist eine Phantomdebatte und die sollten wir beenden. Lafontaine hat sich in den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sehr reingehängt. Ich gehe davon aus, dass er sich auch weiterhin politisch, programmtisch und in den Wahlkämpfen engagieren wird. Aber er hat seine Entscheidung getroffen, nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren. Das ist eine Lebensentscheidung, die wir alle zu respektieren haben.

sueddeutsche.de: Es gibt ja noch andere Kandidaten: Sachsens Linken-Chef Gebhardt nennt sie und Bodo Ramelow als mögliche Führungspersönlichkeiten. Schmeichelt Ihnen das?

Bartsch: Ich habe gesagt, dass Personaldebatten wenig hilfreich sind und das Nennen von Namen ist es für die Betroffenen erst recht nicht.

sueddeutsche.de: Der Hauptgegner heißt also Schwarz-Gelb?

Bartsch: So ist es. Deshalb ist es völlig unverständlich, wenn die SPD sich in Sachsen-Anhalt ohne ein einziges Gespräch mit der Linken in eine Koalition mit der CDU stürzt, obwohl ein Politikwechsel mit einer rot-roten Regierung möglich wäre. Mit dieser Mutlosigkeit wird die Sozialdemokratie dauerhaft zur dritten Kraft werden, wie jetzt schon in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg.

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