Süddeutsche Zeitung

Diesel-Fahrverbote:Vor der Landtagswahl hilft die Bundeskanzlerin

  • In der Pendlerstadt Frankfurt drohen Diesel-Fahrverbote.
  • Hessens Ministerpräsident Bouffier versucht, diese zu verhindern - auch, weil sie der CDU im Wahlkampfendspurt schaden könnten.
  • Kanzlerin - und Parteifreundin - Angela Merkel plant nun eine Gesetzesänderung, von der neben Frankfurt auch 50 weitere Städte profitieren könnten.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin, und Susanne Höll, Frankfurt

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, dessen CDU am Sonntag eine schwierige Landtagswahl zu bestehen hat, macht sich seit einigen Wochen bei der Bundesregierung für den Stopp eines in ganz Frankfurt drohenden Diesel-Fahrverbots stark. Damit will er die Pendlerstadt am Main so weit wie möglich offen halten und im Endspurt des Wahlkampfes verhindern, dass besorgte Dieselautobesitzer einer anderen Partei die Stimme geben.

In diesem Kampf bekommt Bouffier nun tatsächlich Unterstützung aus Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel will den wegen schlechter Luft drohenden Stillstand für Fahrer von Dieselwagen per Gesetz erschweren. Ihre Partei glaube, dass Fahrverbote in der Regel nicht verhältnismäßig seien, wenn die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nur leicht überschritten würden, sagte sie. Dies betreffe 51 der 65 Problemstädte mit geringer Grenzwertüberschreitung.

"Wenn das Gesetz kommt, wäre das Verbot für Frankfurt weg", heißt es hoffnungsvoll aus Hessens Landesregierung. Dafür müsste die Union im Bundestag die Unterstützung der SPD gewinnen. Müsste ein entsprechendes Gesetz auch den Bundesrat passieren, wäre die Zustimmung von Grünen nötig.

Überschreiten Städte den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO₂) pro Kubikmeter im Jahresmittel um nicht mehr als 25 Prozent, dann soll ihnen die Gesetzesänderung ermöglichen, auf Fahrverbote zu verzichten. Das würde auch für Frankfurt gelten.

Die Regierung begründet den Schritt damit, dass die eingeleiteten Maßnahmen wie Software-Updates, Nachrüstung für Kleinlaster und kommunale Fahrzeuge in den 51 Städten ausreichten, um die Luftverschmutzung in absehbarer Zeit unter die Grenzwerte zu bringen. In 14 weiteren Städten müsse jedoch mehr getan werden, mahnte Merkel. Dazu gehörten auch "Aktionen der Automobilindustrie". Diese habe "massiv Vertrauen zerstört".

Bei einem Wahlkampfauftritt im hessischen Ortenberg sagte Merkel am Montagabend: "Wir wollen überall Fahrverbote verhindern."

Der Versuch, Fahrverbote per Gesetz auszuhebeln, werde vor Gericht landen, sagt Greenpeace

Offen ist allerdings, ob die Gesetzesänderung Fahrverbote dann auch wirklich verhindert. Denn die Bundesregierung kann Diesel-Fahrverbote auch in Städten mit einer nur geringen Überschreitung der EU-Grenzwerte für Luftverschmutzung nicht verbieten. "Am Ende entscheidet eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht", räumte ein Sprecher von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ein. Gerichte hatten zuletzt den Druck auf die Kommunen erhöht, Fahrverbote zu verhängen. Umweltschützer übten harte Kritik an dem Plan Merkels. Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnete ihn als "nicht durchsetzbares Wahlkampfversprechen". Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid gälten europaweit und könnten "nicht einseitig in einem Mitgliedstaat heraufgesetzt werden". Greenpeace-Experte Benjamin Stephan sagte: "Was verhältnismäßig ist, lässt sich nicht gesetzlich regeln." Der Versuch werde vor Gericht landen. Die Regierung betreibe ein "Spiel auf Zeit".

Bouffier zielt mit seiner Initiative für Frankfurt besonders auf die Liberalen, denn die hessische FDP wirbt um die Sympathie von Dieselwagenfahrern. Bouffier hatte sich vergangene Woche zudem dafür ausgesprochen, den Autobesitzern bei technischen Umrüstungen notfalls aus Steuermitteln unter die Arme zu greifen, dann nämlich, wenn die Hersteller die Kosten nicht komplett übernehmen wollten.

Auch Hessens grüner Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir betonte am Montag, Fahrverbote vermeiden zu wollen. "Mein Ziel sind nicht Fahrverbote. Mein Ziel ist saubere Luft", sagte er nach einer Sitzung des grünen Bundesvorstands in Berlin. Um die Schadstoffbelastung in Städten unter gültige Grenzwerte zu drücken, müsse die Automobilindustrie in die Pflicht genommen werden. Die Grünen fordern, die Hardware für Euro-5-Diesel auf Herstellerkosten nachzurüsten. "Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn auch die Bundesregierung ihre Kraft darauf konzentriert, die Hardwarenachrüstung gegenüber der Automobilindustrie durchzusetzen", sagte er. Für Zwischenlösungen habe er wenig übrig: "Ich glaube, dass wir den Druck auf die Autoindustrie hochhalten müssen." Mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen sagte Al-Wazir: "Ich bin jetzt mal gespannt, was am Ende vorgelegt wird."

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SZ vom 23.10.2018/bepe
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