Süddeutsche Zeitung

Dienstwagen-Affäre:Kritiker muss sich ans eigene Steuer fassen

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Der CDU-Politiker Georg Schirmbeck gehörte zu den schärfsten Kritikern Ulla Schmidts in der Dienstwagen-Affäre. Jetzt hat er selbst eine solche am Hals.

Michael König

Georg Schirmbeck ist viel unterwegs. Am Sonntag war der Fraktionschef der CDU im Landkreis Osnabrück auf einer Tierschau in Melle-Altenmelle, am Montag auf einem Sommerfest in Kettenkamp. Am Mittwoch wird er in Berlin als Mitglied des Bundestags im Haushaltsausschuss erwartet.

Dort trifft er auf Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Die soll ihm und den anderen Mitgliedern des Ausschusses erklären, warum sie an ihrem spanischen Urlaubsort Alicante unbedingt Dienstwagen und Chauffeur dabei haben musste.

Was Georg Schirmbeck von Schmidts sogenannter Dienstwagen-Affäre hält, hat er vergangene Woche der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) erzählt: Mit ihren "nebulösen Erklärungsversuchen" habe sich Schmidt "um Kopf und Kragen geredet", wird Schirmbeck zitiert. Sie habe deshalb im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nichts zu suchen. So hart ist kaum einer aus seiner Partei mit Schmidt ins Gericht gegangen.

Nun sieht es so aus, als würde Schirmbeck selbst in Erklärungsnot geraten. Wie die Kreistagsfraktion der Grünen im Landkreis Osnabrück erfahren hat, nahm der CDU-Politiker in seiner Eigenschaft als Fraktionschef ungewöhnlich oft den Dienstwagen des Landkreises in Anspruch: 47 Mal sei er in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Juli 2009 zum Flughafen Münster/Osnabrück gefahren oder von dort geholt worden, teilte der zuständige Landrat den Grünen auf Anfrage mit. Schirmbeck hat die Zahl inzwischen bestätigt.

Es gibt Zweifel, ob alle Fahrten mit seinem Amt als Fraktionschef im Kreistag in Verbindung standen. Um seine Maschine nach Berlin zu erreichen, ist Schirmbeck zwar als Fraktionschef im Kreistag losgefahren, aber als Abgeordneter des Deutschen Bundestages am Flughafen angekommen. So sehen es die Grünen - und werfen Schirmbeck unzulässige Ämtermischung zu.

Schirmbeck verwies gegenüber der NOZ auf die "Anweisung über die Benutzung von Dienstfahrzeugen" des Landkreises Osnabrück. Das Dokument aus dem Jahr 1975 erlaubt es "dem Landrat, dessen Stellvertreter und den Fraktionsvorsitzenden, kreiseigene Dienstkraftwagen für Dienstreisen" zu nehmen. Genauer wird die Anweisung nicht.

Solch eine Dienstreise ist es für Schirmbeck offenbar auch, wenn er sich morgens per Dienstwagen zum Flughafen Münster/Osnabrück bringen lässt, um pünktlich in Berlin zu einem Termin zu kommen.

Die Fraktionsvorsitzende der Osnabrücker Grünen, Annette Niermann, sieht das anders: "Der Landkreis kann doch nicht dafür zahlen, dass Herr Schirmbeck Bundestagsabgeordneter ist", sagte Niermann zu sueddeutsche.de. Tatsächlich steht Schirmbeck als Mitglied des Bundestages für "Fahrten in Ausübung des Mandats" eine Kostenpauschale zu - derzeit 3868 Euro. Die könnte er nutzen, um mit seinem Privatwagen zum Flughafen zu fahren, sich ein Taxi zu nehmen oder den Bus.

"Erhebliche rechtliche Probleme"

Die Grünen-Fraktion hat Landrat Manfred Hugo (CDU) aufgefordert, die Dienstfahrten aller Fraktionsvorsitzenden des Osnabrücker Kreistags offen zu legen. Wegen "erheblicher rechtlicher Probleme" erbat sich Schirmbecks Parteifreund jedoch eineinhalb Wochen Bedenkzeit, schrieb er der Grünen-Frau am 20. August.

Hugo ist derzeit im Urlaub. Die Pressestelle des Landkreises teilte auf Anfrage mit, dass "datenschutzrechtliche Bedenken" gegen eine Veröffentlichung sprechen könnten. Die Rechtsabteilung fürchte, dass sich aus den Dienstfahrten ein "Bewegungsprofil" der Politiker nachzeichnen lasse. Dabei sagten die Fraktionschefs von Grünen und FDP der NOZ, sie hätten den Dienstwagen nie in Anspruch genommen. Der SPD-Fraktionschef gab an, den Service vier Mal genutzt zu haben - wozu, könne er spontan nicht sagen, "aber grundsätzlich darf das jeder wissen".

Schirmbeck sagte, er werde die Kosten erstatten, sollte sich herausstellen, dass seine Fahrten "im Einzelfall nicht zulässig waren". Eine Offenlegung aller Fahrten lehnt der CDU-Mann aber ab: Die "Gläsernheit" dürfe nicht dazu führen, dass er "ausgespäht" werde, sagte er. Weitere "Erklärungsversuche" dürften folgen.

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