Diskussion um Wehrpflicht-Ersatz:Auf der Suche nach Zusammenhalt

Ältere menschen besuchen in Corona-Zeiten?

Besuche im Altenheim? Besser einschränken. (Symbolbild)

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Im Rennen um den CDU-Vorsitz hatte Kramp-Karrenbauer mit ihrem Vorschlag eines verpflichtenden Dienstjahres noch gepunktet. Doch inzwischen stößt sie damit sogar in der Union auf große Vorbehalte.

Von Robert Roßmann, Berlin

Annegret Kramp-Karrenbauer geht es zurzeit nicht gut, sie ist ziemlich erkältet. Nach ihrer Rede zum Verteidigungsetat am Mittwoch wurden Kramp-Karrenbauer im Bundestag sofort Hustenbonbons gereicht - so viel Mitleid hatte sie erregt. Auch an diesem Donnerstag war es um die Stimme der CDU-Chefin nicht gut bestellt. Und so musste sie mit einem Schal um den Hals das lange versprochene Werkstattgespräch zur Dienstpflicht eröffnen. Braucht Deutschland einen Ersatz für die 2011 ausgesetzte Pflicht zum Wehr- oder Zivildienst? - Darüber wollte die Partei diskutieren. Dabei ging es vor allem um eine Frage: Soll es ein freiwilliges Dienstjahr geben - oder muss es verpflichtend werden? Kramp-Karrenbauer hatte in der Vergangenheit ihre Sympathie für eine verpflichtende Lösung zu erkennen gegeben. Aber was will die CDU?

Um es kurz zu sagen: Das ist auch nach dem Werkstattgespräch nicht klar. "Wir werden jetzt die Ergebnisse sammeln und sichern", sagte Kramp-Karrenbauer am Ende. Auf der Grundlage wolle man dann "in der Breite der Partei" im nächsten Jahr diskutieren. Doch ein paar Leitplanken wurden schon an diesem Donnerstag erkennbar. Die reine Wiedereinführung der ausgesetzten Wehrpflicht forderte niemand. Es geht der Partei um ein breites Spektrum an Möglichkeiten, zwischen denen Schulabgänger wählen können sollen - darunter die Bundeswehr, soziale Dienste, die Feuerwehr, die Entwicklungshilfe und manches mehr. Und es schien am Donnerstag Konsens zu sein, dass man dabei - anders als früher bei der Wehrpflicht - nicht nur deutsche Männer einbeziehen will, sondern auch Frauen und Flüchtlinge, die dauerhaft in Deutschland leben. "Gibt es überhaupt noch einen Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält?", fragte Kramp-Karrenbauer. Der neue Dienst solle helfen, den Zusammenhalt wieder herzustellen.

Kramp-Karrenbauer hatte die Debatte um die Dienstpflicht im Sommer des vergangenen Jahres losgetreten, damals war sie noch Generalsekretärin. In einem Video von CDU-TV hatte sie ein "erstes Fazit" ihrer wochenlangen "Zuhörtour" durch die Partei gezogen. Dabei sagte Kramp-Karrenbauer, den CDU-Mitgliedern brenne auch die Frage unter den Nägeln: "Wie gewährleisten wir in Zukunft die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land? Und zwar egal, ob im Inneren oder im Äußeren." Und sie könne eines "versprechen: Über das Thema Wehrpflicht oder Dienstpflicht da werden wir ganz intensiv noch mal diskutieren müssen."

Über die Wehrpflicht wurde dann zwar nicht intensiv diskutiert. Aber mit der Dienstpflicht konnte Kramp-Karrenbauer im Wettbewerb mit Friedrich Merz und Jens Spahn um den CDU-Vorsitz punkten. Das Durchschnittsalter der Parteimitglieder liegt bei 60 Jahren, da reüssiert man mit Forderungen, die nur die Jungen betreffen. Doch dann geriet das Thema auf Kramp-Karrenbauers Agenda lange in den Hintergrund. Das wollte sie jetzt mit dem Werkstattgespräch wieder ändern.

Wie umstritten die Dienstpflicht auch in Teilen ihrer eigenen Partei ist, hatte sich allerdings schon in den Tagen vor dem Werkstattgespräch gezeigt. Die Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Volker Bouffier und Armin Laschet, meldeten Bedenken gegen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht an. Die beiden Regierungschefs sind auch stellvertretende CDU-Vorsitzende.

Dass die Einführung einer Dienstpflicht nicht nur politisch, sondern auch rechtlich kein einfaches Unterfangen ist, zeigt eine Studie der CDU-nahen Adenauer-Stiftung. Sie trägt den Titel: "Pflichtdienst für die Gesellschaft? Optionen und Hürden im Verfassungs- und Völkerrecht." Die Studie kommt zu dem Ergebnis, "dass die rechtlichen Hürden für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht nicht unüberwindbar" seien, dass dafür aber "ein politischer und administrativer Kraftakt vonnöten" wäre. Denn die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht sei "vom gegenwärtigen Verfassungsrecht nicht gedeckt, da das Grundgesetz Arbeitszwang prinzipiell verbietet und keine der gegenwärtigen Ausnahmeregelungen passt". Es müsste also das Grundgesetz geändert werden.

Doch dafür bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Und dass es dafür keine Chance gibt, zeigte sich bereits am Donnerstag. Der familienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sönke Rix, sagte, das Engagement junger Menschen müsse auch weiterhin "freiwillig und selbstbestimmt" sein. "Die Variante 'verpflichtend und fremdbestimmt' von Frau Kramp-Karrenbauer" lehne seine Fraktion ab.

FDP-Chef Christian Lindner fragte, ob die CDU jetzt wirklich "Lebenszeit" enteignen wolle. Es mache angesichts des Fachkräftemangels doch "keinen Sinn, junge Menschen von Ausbildung fernzuhalten und Lebenszeit zu verstaatlichen". Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken, beklagte, Kramp-Karrenbauer wolle "junge Menschen in ihre vermaledeite Dienstpflicht stecken". Sogar aus der CSU kam Widerspruch.

Und so war es kein Wunder, dass Kramp-Karrenbauer am Ende des Werkstattgesprächs über das Dienstjahr sagte: "Wir sollten uns nicht an der Frage festbeißen, ob wir es verpflichtend oder freiwillig machen wollen." Wenn die CDU-Chefin auf der Einführung eines verpflichtenden Dienstjahres bestehen würde, müsste sie mit einer schweren Niederlage rechnen.

Zur SZ-Startseite
Werkstattgespräch der CDU über eine allgemeine Dienstpflicht

CDU-Debatte
:Darum geht es bei der allgemeinen Dienstpflicht

Nach der Schule verpflichtend ein Jahr gemeinnützig tätig sein: Das soll den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, ist aber wohl grundgesetzwidrig. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: