Den Rekord hält Gerhard Schröder. Im August 2003, also nicht einmal ein Jahr nach dem knappen Sieg gegen Edmund Stoiber, verkündete er bereits, drei Jahre später wieder als Kanzlerkandidat der SPD antreten zu wollen. Außenminister Joschka Fischer von den Grünen verhaftete Schröder gleich mit. Der wäre zwar lieber nach Brüssel zur Europäischen Union gegangen, was aber zu einem schnellen Ende der rot-grünen Koalition geführt hätte. Deshalb schworen sich zwei Männer die Treue - Schluss war trotzdem vorzeitig: Zum ursprünglich geplanten Wahltermin 2006 saß die SPD schon ein Jahr lang in der großen Koalition. Ohne Schröder.
Diese historische Erfahrung mag Volker Kauder zur Vorsicht gemahnt haben, weshalb er nun erst zweieinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl Angela Merkel wieder zur Unions-Kandidatin ausrief. Auf die Frage, was nach Merkel komme, antwortete der Fraktionschef der Union in der Bild-Zeitung: "Über die Frage brauchen wir nicht zu diskutieren." Merkel werde 2013 erneut antreten - "und nach einem Erfolg für weitere vier Jahre Kanzlerin sein", sagte Kauder. "Alles Weitere klärt sich dann."
Fairerweise muss man sagen: Eine Bestätigung dafür, dass auch Merkel selbst plant, 2013 wieder anzutreten, war am Montag weder in der CDU noch in Regierungskreisen zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit wurde zwar als hoch bezeichnet; Kauders Festlegung sei aber nicht mit Merkel abgesprochen gewesen, hieß es sowohl in der Umgebung des Fraktionschefs wie auch der Kanzlerin.
Die Vorstellung, Merkel regiere das Land oder führe die CDU fortwährend mit Interviews, die sie in Auftrag gegeben habe oder deren Inhalt sie zumindest vorher kenne, entspreche nicht den Tatsachen, hieß es. Zuletzt stand Merkel im Verdacht, ein Interview von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) initiiert zu haben, in dem sich die Ministerin kritisch mit dem damals noch amtierenden Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auseinandergesetzt hatte.
Volker Kauder gilt unter Merkels Knappen als einer der treuesten. Man darf deshalb annehmen, dass er seine Einlassung gut gemeint hat, was bekanntlich nicht immer mit gut gemacht gleichzusetzen ist. Die komplizierten und bisweilen auch hysterischen Gesetzmäßigkeiten der Berliner Politik bringen es vielmehr mit sich, dass das Aussprechen von Selbstverständlichkeiten sogleich als deren Infragestellung interpretiert wird.
Im vorliegenden Fall also könnte manch ein Parteigänger der CDU nun durchaus auf die Idee kommen, Kauder sei sich eben gerade nicht mehr sicher, ob eine Kanzlerin wirklich noch sechseinhalb Jahre vor sich hat, die in der Guttenberg-Affäre selbst Schaden nahm und eine Landtagswahl mit ungewissem Ausgang im CDU-Stammland Baden-Württemberg zu fürchten hat. Zudem hat Kauder seine Kandidatinnenkür schlecht vorbereitet: Niemand fand sich am Montag, um begleitend Hosianna zu rufen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zum Beispiel feierte stattdessen Karneval in seiner Heimatstadt Neuss.
Merkel wäre 2017 insgesamt zwölf Jahre im Amt, zwei Jahre weniger als Konrad Adenauer. Ursula von der Leyen aber, um ein willkürliches Beispiel einer möglichen Nachfolgerin zu wählen, ginge dann bereits stramm auf die 60 zu. Zum Vergleich: Sie wäre dann schon vier Jahre älter als Wolfgang Schäuble 1998. Damals eröffnete ihm Helmut Kohl nach 16 Jahren Kanzlerschaft, dass er nochmals antreten werde.